Dance Me to the End of Love

Leonard-Cohen Konzert,
Amsterdam,
Westergasfabrik,
12. Juli 2008, 19:30 Uhr

Von Ann-Kristin Aschbrenner



Drucken

Die ersten Schlangen vor dem Einlass haben sich schon vier Stunden vor Konzertbeginn gebildet.
Man kommt leicht ins Gespräch unter den Wartenden, es herrscht Festival-Atmosphäre.
Hier sind alle Altersklassen vom Teenager aufwärts vertreten;
manche der Anwesenden sind eigens von weither angereist,
aus der Türkei etwa, aus Spanien, England, Irland, Schweden oder Deutschland,
um ihr Idol Leonard Cohen live zu erleben.
Etwa 18000 Fans werden schließlich in der nach kurzer Zeit
nahezu bis auf den letzten Platz gefüllten Open-Air-Arena „Westergasfabriek“ in Amsterdam gezählt,
die allgemeine Vorfreude auf das lang erwartete Ereignis –
die letzten Bühnenauftritte des Pop-Poeten liegen 15 Jahre zurück –
am Ende jenes eher kühlen Sommertages ist greifbar. Die dunklen Regenwolken,
die immer wieder aufziehen, stören niemanden; das Bühnenbildmotiv, von Cohen,
der auch als Kunstmaler tätig ist, selbst kreiert, ruft Bewunderung hervor.
Als der Star des Abends dann wirklich nach einer Viertelstunde im eleganten Anzug selbst auf die Bühne kommt,
geschieht dieses auf vollkommen unspektakuläre Weise:
Er tritt mit seiner Band und den Begleitsängerinnen ins Rampenlicht,
ein kurzes Verharren, ein knapper, freundlicher Gruß –
und ohne jede weitere Einleitung beginnt Cohen sein Konzert.
Dennoch spürt man schon beim ersten Ton des nun zuerst erklingenden Liedes
„Dance Me to the End of Love“, dass man einem großen Moment beiwohnt,
das Gänsehaut-Gefühl stellt sich sofort ein. Sichtlich ergriffen lauscht das Publikum der sonoren,
sehr klaren Bassbariton-Stimme, für die der Großmeister der Melancholie seit längerer Zeit bekannt ist;
und knapp drei Stunden später, als er nach etlichen großzügig gewährten Zugaben
dann doch sehr sportlich die Bühne im lockeren Laufschritt verlässt, bleibt der Sänger,
immerhin inzwischen 73 Jahre alt, auf dem hohen Niveau des Anfangs und hat nur eine einzige kurze Pause gebraucht.
Er agiert minimalistisch, und doch variiert er seine stimmlichen und körperlichen Mittel eindrücklich:
Er kniet während einzelner Songs; er singt ganze Passagen von besonderer Intensität mit geschlossenen Augen;
er zeigt, dass selbst ein noch so stilvoller Hut nicht nur einfach eine Kopfbedeckung ist,
sondern ungeahnt viele Ausdrucksfunktionen erfüllen kann. Auch die Lieder, die zum Vortrag kommen,
sind sorgfältig gewählt: Insgesamt bietet das Programm eine perfekte Mischung aus „Klassikern“,
unter denen natürlich „Suzanne“, „Marianne“ oder „Bird on a Wire“ nicht fehlen dürfen,
und vergleichsweise neuen Songs wie „Everybody Knows“, „Tower of Song“, „Take this Waltz“
oder „Closing Time“, und schlägt die Zuschauer vollkommen in seinen Bann.
Selbst Kenner werden am Ende zugeben, dass sie die eine oder andere Neuentdeckung gemacht haben.
Die unprätentiöse Bescheidenheit, mit der Cohen, immerhin seit dem 10. März 2008 Mitglied
der „Rock And Roll Hall of Fame“, den Abend eröffnet hat, ist dabei symptomatisch für sein gesamtes Auftreten:
Er ist überaus liebenswürdig, wirkt fast zurückhaltend,
lächelt jedoch viel und gibt oft Kostproben seines intelligent-trockenen Humors.
Als etwa schon eine eher einfache Keyboard-Einlage des kanadischen Barden wahre Begeisterungsstürme
unter den Fans hervorruft, kann er sich eines ironischen Grinsens nicht erwehren und bemerkt:
„You are very, very kind“. Und Cohen hat offenbar nicht vergessen,
dass er seinen Erfolg eben jenem Publikum verdankt, auf welches er immer wieder so verbindlich-charmant eingeht:
Seinen hier versammelten Anhängern, die er immer wieder als „friends“ anspricht, dankt er namentlich dafür,
dass sie seine Musik über all die Jahre lebendig gehalten haben; mehrfach versichert er glaubhaft,
es sei eine Ehre für ihn, hier zu spielen. Auch jede Blume, jedes Kuscheltier,
welche ihm zumeist von weiblichen Verehrerinnen aus den ersten Reihen gereicht werden,
nimmt er persönlich entgegen und zeigt deutlich seine Freude über diese kleinen Geschenke.
Insbesondere freilich wird er nicht müde, seine eigene Bedeutung zu relativieren,
indem er wiederholt auf die hervorragende Leistung der mit ihm spielenden Musiker hinweist:
So würdigt er mehrfach den Bassisten, Sänger und musikalischen Leiter Roscoe Beck; den Keyboarder,
Akkordeonisten und Blechbläser Neil Larsen, dessen grandioses Spiel auf der Hammond B3 vor allem es ist,
das vielen Songs sogar noch eine zusätzliche Eindringlichkeit verleiht;
den Gitarristen und Sänger Bob Metzger; den auf verschiedenen komplexen Saiteninstrumenten wie der Bandurria
oder der Laute brillierenden Virtuosen Javier Mas; den Schlagzeuger und, so Cohen,
„Hohepriester der Präzision“ Rafael Gayol; sowie den Saxophonisten, Holzbläser, Keyboarder und Sänger Dino Soldo.
Insbesondere aber in seiner langjährigen Gesangspartnerin Sharon Robinson sowie den jungen Schwestern Charley
und Hattie Webb, deren wundervolle Vokalversion von „If It Be Your Will“
vielen Zuschauern endgültig die Tränen in die Augen treibt, hat er eine kongeniale Begleitung gefunden.
Die vollendete Videotechnik schließlich, die etwa, während „Hallelujah“ ertönt,
ein sphärisch anmutendes Bild der sinkenden Sonne einfängt und es mit Aufnahmen
des Bühnengeschehens und des Publikums überblendet, trägt das ihrige dazu bei,
dass man am Ende mit den Gefühl nach Hause geht, einem nicht nur unvergesslichen,
sondern einem geradezu magischen Ereignis beigewohnt zu haben, welches noch lange nachklingen wird.

www.leonardcohenfiles.com
www.leonardcohenforum.com


mit reichhaltigen Infos (auf Englisch) zum Künstler, der Konzerttournee, Bühnenfotos, Setlists, Videolinks etc.

Leonard Cohen wird im Herbst auch mehrere Konzerte in Deutschland geben, für die zum Teil noch Restkarten erhältlich sind:


04.10.2008 (Sa), Berlin – O2 Arena
06.10.2008 (Mo), München – Olympiahalle
29.10.2008 (Mi), Frankfurt - Festhalle
31.10.2008 (Fr), Hamburg – Color Line Arena
02.11.2008 (So), Oberhausen – König Pilsenser Arena