Das kulturelle Erbe der Unbestechlichkeit
Ehrengast der Deutschen Kinemathek: US-Filmproduzent Felix
Werner, Sohn des legendären österreichischen Schauspielers Oskar
Werner
Von Marc Hairapetian
Das kulturelle Erbe der Unbestechlichkeit
Ehrengast der Deutschen Kinemathek: US-Filmproduzent Felix
Werner, Sohn des legendären österreichischen Schauspielers Oskar
Werner
Von Marc Hairapetian
Verschollene Schätze bieten der Phantasie desjenigen, der sie finden
und besitzen möchte, ganz besonderen Spielraum. Ihr Wert - sei es auch
nur ein ideeller - steigt bei Liebhabern oftmals ins Unermeßliche. Jahrzehntelang
war das für Fritz Langs film noir „The Woman in the Window“
(1944), angefertigte Ölgemälde unter Cineasten solch ein Objekt
der Begierde. Es zeigt die nur mit einem hauchdünnen Kleid bedeckte Joan
Bennett, eine jener Hollywood-Diven, die das Wort „glamour“ für
sich in Anspruch nahmen. Kurz nach ihrem Tod im Jahr 1990 wurde durch einen
Brand fast der gesamte Nachlaß der Schauspielerin vernichtet. In den
Trümmern entdeckte der Witwer David Wilde das Bild, das wie durch ein
Wunder unbeschadet geblieben war.
„Es ist schon ziemlich kitschig“, sagt Felix Florian Werner, Enkel
von Joan Bennett und Sohn des Wiener Schauspielgenius Oskar Werner (1922 -
1984), über das Gemälde. Doch wegen des filmhistorischen Werts hat
er sich für den Transport von New York nach Berlin eingesetzt, wo sich
der 34jährige in diesen Tagen zusammen mit seinem Stiefgroßvater
David Wilde als Ehrengast der Deutschen Kinemathek aufhielt. Werner Sudendorf,
der 1997 im Auftrag der Kinemathek einen Großteil von Fritz Langs Privatbesitz
ersteigern konnte, suchte lange Zeit vergeblich nach dem Bild. Er fand es
durch einen Zufall, der der Schnittpunkt mehrerer Notwendigkeiten ist. Der
Bekannte eines Bekannten erfuhr von Existenz und Aufenthaltsort des Bennett-Porträts.
Jetzt steht das Bild im Zentrum einer noch bis zum 8. April laufenden Fritz-Lang-Sonderausstellung
im Filmmuseum.
Seinen Vater, der in Klassikern wie „Entscheidung vor Morgengrauen“,
„Der letzte Akt“, „Jules und Jim“, „Das Narrenschiff“
oder „Fahrenheit 451“ die Leinwand dominierte, bewunderte Felix
Werner über alles. Vielleicht deswegen entschied sich der in Pacific
Palisades lebende Filius lieber hinter der Kamera zu arbeiten. Nach Regieassistenzen
bei Michael Cimino und Adrian Lyne, gründete er 1999 zusammen mit seiner
Schweizer Gattin Kathrin die Produktionsfirma „Werner Film“. In
diesem Sommer soll mit der bewußt altmodischen Romanze „Vienna
Fare“ die erste Independent-Komödie mit einem Budget von unter
zehn Millionen Dollar gedreht werden. Felix Werner ist beinahe das Ebenbild
Oskar Werners. Allerdings scheint der jugendlich wirkende Blondschopf mehr
in sich zu ruhen als der gerade aufgrund der inneren Zerrissenheit zu darstellerischen
Höchstleistungen befähigte Vater. Die leichte kalifornische Bräune
und die darin leuchtenden blauen Augen spiegeln gleich auf den ersten Eindruck
das sonnige Gemüt des „Glücklichen“ (so die Übersetzung
des lateinischen „Felix“) wieder. Die doppelte Staatsbürgerschaft
macht sich allein schon in seinem mit charmanten austro-amerikanischen Akzent
fließend vorgetragenen Deutsch bemerkbar.
Nach der Trennung von Oskar Werner und der Bennett-Tochter Diane Anderson
wuchs er bis zu seinem 12. Lebensjahr bei der Mutter in den USA auf. Die Sehnsucht
zum Vater war so groß, daß er von 1978 bis 1981 in dessem freiwilligen
Exil Liechtenstein lebte. „Als ich ins Fürstentum kam, war ich
ein typischer Amijunge, der lange Haare trug und Skateboard fuhr. Als ich
wieder ging, war ich mit Musik-, Theater-, Film- und Kunstgeschichte bestens
vertraut.“ Er besuchte in der Zeit keine Schule, da ihn der vielseitig
gebildete Oskar Werner und seine damalige Lebensgefährtin Antje Weisgerber
privat unterrichteten. Die immer schlimmer werdende Alkoholsucht des manisch-depressiven
Künstlers veranlaßten den Sohn erst einmal Abstand zu gewinnen
und nach Amerika zurückzukehren. Wenige Monate vor Oskar Werners Tod
im Jahr 1984 kam es doch noch zur Versöhnung.
„Mein Vater wollte, daß ich Musik studiere und Dirigent werde.
Er hat oft nicht viel von seinem Beruf gehalten. Es gab auch eine Zeit, wo
ich mich gefragt habe, wieso ich zum Film gehen möchte“, meint
Felix Werner nachdenklich. Deswegen studierte er zunächst Kunstgeschichte,
fand danach eine Stelle in der pädagogischen Abteilung des Los Angeles
County Museum of Art. Doch seine wahre Leidenschaft ließ sich nicht
unterdrücken. „Für mich ist der Film die größte
Kunstform des 20. Jahrhunderts. Ich liebe es, Filme zu sehen, zu drehen und
Tag und Nacht darüber zu reden“, meint der am 6. 6. 1966 geborene
Cineast euphorisch Mittlerweile hat es sich Felix Werner zur Aufgabe gemacht,
das kulturelle Erbe des unbestechlichen Vaters, der über 300 Filmangebote
als „Verrat am künstlerischen Geschmack“ (darunter Antonionis
„Blow Up“, Viscontis „Ludwig II.“ und Syberbergs „Karl
May“) ablehnte, in der eigenen Arbeit einfließen zu lassen. „Je
länger ich beim Film bin, desto mehr schätze ich, was er geleistet
hat. Ich glaube, viele Menschen, die in dieser Branche tätig sind, lassen
sich von Geld und Macht zu sehr leiten. Er war manchmal vielleicht zu extrem
in seiner Art, aber er ist immer seiner Vision treu geblieben.“
Der überzeugte Pazifist Oskar Werner hatte nach dem Zweiten Weltkrieg
Schwierigkeiten mit deutschen Rollen. Einen „sympathischen Nazi“
wollte er trotz dreifacher Gagenerhöhung in Stanley Kramers „Geheimnis
von Santa Vittoria“ (1968) nicht spielen. Seine arythmetische Begründung
lautete: „Wenn jemand gut ist und ein Nazi, dann ist er nicht intelligent.
Wenn jemand intelligent ist und ein Nazi, dann ist er nicht gut. Und wenn
jemand gut und intelligent ist, dann ist er kein Nazi.“ Oskar Werner
übernahm ab den 50er Jahren nur Figuren, mit denen er sich identifizieren
konnte. Der melancholische, nach wahren Werten suchende Bordarzt im „Narrenschiff“
(Oscar-Nominierung 1965 als Bester Hauptdarsteller) sei dem wirklichen Charakter
seines Vaters am nächsten gekommen. „Diese Seite war sehr ausgeprägt,
allerdings besaß er viel mehr Humor als der Doktor.“ Felix Werners
Favorit ist allerdings der TV-Film „Ein gewisser Judas“ (1959),
„wahrscheinlich, weil er unter dem Pseydonym Erasmus Nothnagel auch
Regie geführt hat.“
Oskar Werners Leidenschaft galt dem Theater. Seine „Hamlet“-Interpretation
in Frankfurt am Main und später in der Wiener Josefstadt gilt als eine
der besten des 20. Jahrhunderts. In Berlin stand er niemals auf der Bühne,
dennoch hat er hier mehrmals gewirkt. Teile des Mauer-Thrillers „Der
Spion, der aus der Kälte kam“ wurden 1965 in der Stadt gefilmt.
Nach Drehschluß amüsierten sich die Whisky-Freunde Richard Burton
und Oskar Werner im Café Kranzler eines Abends auf ganz besondere Weise.
Sie bestellten eine Schüssel Schlagsahne, seiften sich ein und rasierten
sich mit dem Besteck gegenseitig. Das Synchronstudio in Lankwitz, indem der
mit einem unverwechselbar melodiös-nuancenreichen Timbre gesegnete Oskar
Werner sich in einigen internationalen Kinoerfolgen selbst auf Deutsch sprach,
gibt es längst nicht mehr.
Felix Werner, der zwischen Kinemathek-Empfängen und geschäftlichen
Verabredungen noch Zeit für ausgedehnte „Seightseeing“-Touren
mit dem 83jährigen David Wilde hat, findet die alte neue Hauptstadt wie
verwandelt vor. Bis auf das „schreckliche“ Sonyzentrum zeigt er
sich von der Architektur am Postdamer Platz recht beindruckt. Nachdem der
zweifache Familienvater in der deutschsprachigen Schweiz einen Zweitwohnsitz
gefunden hat, kann er sich gut vorstellen, eines Tages auch in Berlin eine
Produktionsfiliale zu eröffnen. „Man merkt sehr schnell, ob sich
in einer Stadt etwas regt oder nicht. Ich denke, daß Berlin aufgrund
seiner Impulsivität und Vielfältigkeit in den nächsten Jahren
zur Filmmetropole Europas aufsteigen wird.“ Die Produzententätigkeit
teilt sich Felix Werner mit seiner Frau. Während diese sich mehr um die
finanziellen Angelegenheiten kümmert, ist er am liebsten am Set, um „den
„Film wachsen zu sehen“. Der Hang zum Perfektionismus wurde ihm
natürlich vom Vater in die Wiege gelegt. „Zumindest in künstlerischen
Dingen, weiß ich ziemlich genau, was ich will.“
Der kinematographische Kreis schließt sich, seitdem Felix Werner im
Nachlass ein auf Super 8 aufgenommenes Gespräch seines Vaters mit dem
ebenfalls gebürtigen Wiener Fritz Lang entdeckt hat. Es entstand 1974
in New York während Oskar Werners Gastauftritt in der TV-Serie „Columbo“.
Dem ARD-Kulturreport wurde das Material zur einmaligen Ausstrahlung überlassen.
Doch nur wenige Sekunden wurden gezeigt. Manche Schätze werden anscheinend
nicht zu würdigen gewußt.
Marc Hairapetian