„Konrad Halvers ‚Die kleine Meerjungfrau’
ist das schönste Hörspiel aller Zeiten!“
Jens Wawrczeck (bekannt als Peter Shaw
in „Die drei ???“)

Der letzte Mohikaner

Von Uncas über Winnetou und Mopsy Mops
bis zu Dobranski: Konrad Halver, Sprecher,
Skript-Autor und Regisseur in Personalunion,
ist längst eine lebende Hörspiel-Legende!

Ein Porträt von Marc Hairapetian.

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„Ah, seht, Leute! Euer Geschichtenerzähler aus Europa kommt!“,
eröffnet John O’ Brian-Docker als zur Gitarre singender Matrose Konrad Halvers 1975 entstandenes Meister-Hörspiel „Das Flaschenteufelchen“ vor der malerischen Kulisse des Strandes der polynesischen Insel Upolo. Hier hatte sich der Dichter Robert Louis Stevenson (gesprochen von Heinz Trixner) mit seiner Frau Fanny niedergelassen. „Der Tusitala! Ja, der Tusitala ist wieder da!“, rufen begeistert die Eingeborenen. Und solch ein Tusitala, ein Geschichtenerzähler ist bis heute Konrad Halver, aus und vor allem von EUROPA, auch wenn die immer noch nicht auf CD wiederveröffentlichte Faustiade über Verkauf und Rückgewinnung der Seele des jungen Keave (Olaf Salmon) seinerzeit beim BASF-Label PEG erschien.

Mit EUROPA-Hörspielen hatte Halver ab Mitte der 1960er Jahre dem öffentlich-rechtlichen Kinderfunk Konkurrenz gemacht: Millionen des „Pioniers der preiswerten Langspielplatte“ gingen über die Ladentische. Durch den erst 24jährigen Winnetou-Sprecher, der sich als Regisseur 1968 selbst für die Titelrolle von Karl Mays berühmter Trilogie besetzt hatte, wurde Edelmut zeitlos modern hörbar – besser als beim Filmsynchron von Pierre Brice. Halver, das „Stimmwunder von der Elbe“, brachte 1969 ebenfalls bei EUROPA das erste „Dracula“-Hörspiel mit dem leider fehlbesetzten Charles Regnier auf den Markt. Nach seiner Abwerbung zur Tonträger-Sparte des Chemiegiganten BASF veröffentlichte er sechs Jahre später mit „Dracula – Jagd der Vampire“ ein sensationelles Remake. Peter Versten als aristokratischer Blutsauger zog stimmlich alle Register: wirkte einerseits höflich und doch verschlagen, brutal und dennoch erotisch. 

Deutschland ist Hörspielland Nr. 1 in der Welt. Und der am 27. April 1944 in Salzwedel geborene Pfarrers-Sohn Halver bald „Der letzte Mohikaner“ des goldenen Hörspiel-Zeitalters. Den Uncas aus Coopers Roman sprach er übrigens auch zwei Mal – bei EUROPA und BASF, Seite an Seite mit TV-Lederstrumpf Hellmut Lange. Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Karriere? 1965 stieß Konrad Halver während eines Theaterengagements an Hamburgs Kleiner Komödie in der Produktion „Olivia“ mit dem Ufa-Star Lilian Harvey auf Filmstar a. D. Herbert A. E. Böhme. Dieser hatte gerade ein „Münchhausen“-Hörspiel bei einer jungen Schallplattenfirma namens Miller International eingesprochen, deren Label EUROPA Furore machte. Man suchte dort junge Stimmen! Die Aufnahmen fanden statt im Pöseldorfer Wohnzimmer von Produktionschef Dr. Beurmann, der bald Konrad’s Mentor wurde. „Ich kam, sah und kriegte...“, erzählt Halver heute,: „...auch gleich schön was zu tun. Meine erste Platte war ‚Polizeihubschrauber im Einsatz’ mit der B-Seite ‚Schmuggel im Hafen“’, wo ich jugendliche Einbrecher spielte. In Hörspielrollen folgten mit den Märchen der Gebrüder Grimm die Prinzen und die Frösche. Später der Winnetou. Helden habe ich immer gern gesprochen, die standen nie so hoch im Kurs. Ich wollte den Idolen den nötigen Saft geben, einen Charakter mit Ecken und Kanten, aber trotzdem was fürs Herz!“

In dieser Zeit entstand nicht nur was fürs Herz, sondern auch was fürs Zwerchfell: Mopsy Mops, Halvers Tribut an Comics. Bei Konrad’s Eltern gab’s einen Mops, der wurde flugs verewigt. Der Rest ist Hunde-, pardon Hörspielgeschichte - vor allem „Mopsy Mops jagt Dr Seltsam“ (Peggy/BASF 1974)! Noch in diesem Jahr soll es ein Revival in Gestalt von Mopsy Mops Nr. 5 geben! Eine Idee, an der zwei Fans der ersten Stunde nicht ganz unschuldig sind: Rocko Schamoni und sein Mitstreiter Reverend Christian D.

Also neues Hör-Futter vom Tusitala für kleine und große Hörspiel-Freunde, die seit Jahrzehnten seinen Geschichten ihr Ohr leihen: „Dabei wäre Winnetou damals fast im Papierkorb gelandet!“ berichtet Halver: „Mein Freund, der Schauspieler und Theaterregisseur Peter Folken, hatte vorher noch nie ein Hörspiel geschrieben. Kaum hatte er es fertig und noch mal durchgelesen, zerriss der Choleriker sein Winnetou-Manuskript! Meine Mutter, die gerade das Titelbild für Schneewittchen malte, klebte den Wutanfall mit Tesafilm wieder zusammen. Nach ein paar Tagen konnte die erste Hörspiel-Kultserie ins Werk gesetzt werden.“

Schauspielgrößen wie Will Quadflieg Hans Clarin und natürlich sein väterlicher Freund Hans Paetsch waren sich für Halver nicht zu schade, für Kaufhörspiele zu sprechen – heute sind es Klaus Maria Brandauer oder Ben Becker. Wie kam es nach dem Boom dann in den 1980er Jahren zur großen Hörspielflaute? „Damals“ weiß Halver, der 1984 den Deutschen Schallplattenpreis für „Musik zum Mitmachen“ gewann, „überschwemmten Computerspiele oder verschiedenste Fernsehprogramme den Markt. Und doch, weil Hörspiele mit ihrem Kopfkino nicht totzukriegen sind, konnte ihnen diese Konkurrenz nicht den Garaus machen. Neue Labels schießen heute wie Pilze aus dem Boden!“ Und Halver, der sich nach seiner Tätigkeit als Hörspielmacher für die Teldec und den Jahreszeiten-Verlag eine zeitlang als Werbetexter für McCann-Erickson verdingte, dann wieder Theater spielte, wird jetzt mit seinem ewig jugendlichen Timbre und seinem komischen Talent vermehrt als Gastsprecher gewonnen. So beim Label Lausch in der Rolle des alten Jules Verne in „Schwarze Sonne“. Desgleichen sind viele seiner „Klassiker“ jetzt wieder bei EUROPA (inzwischen übernommen von Sony BMG) in der Reihe „Die Originale“ erhältlich, leider nicht seine „Schauergeschichten“ nach Edgar Allan Poe, „Mopsy Mops“, „Django“ oder die Märchen Oscar Wildes mit „Old Shatterhand“ Michael Poelchau als sensiblem Erzähler.

Über mangelnden Zuspruch muss sich auch Konrad Halver’s neues Paradepferd, die derbe Krimi-Serie „Kommissar Dobranski“ (seit 2009 bei Lübbe-Audio), nicht beklagen, wobei sich die Live-Auftritte größter Beliebtheit erfreuen. In Halvers Hamburger Graceland-Studios entsteht zur Zeit das Monster-Horrorhörspiel „Gualagon“. Was ist eigentlich sein liebstes von seinen über 500 Hörspielen? „Ich habe alle meine ‚Kinder’ lieb. Doch neben dem „Flaschenteufelchen“ gibt’s noch einen Stevenson: In ‚Die Abenteuer des David Balfour“ besetzte ich 1978 bei AUDITON meine Frau Sibylle in der Rolle der Catriona. So konnten wir im Tonstudio unsere eigene Liebesgeschichte fortführen.“, erinnert sich Halver lächelnd. Sibylle Bohn-Halver starb am 24. September 2008 an einem Herzinfarkt. 

Ein schöner Zug an Konrad Halver, der 2006 für Dobranski als „bester Hörspiel-Sprecher“ ausgezeichnet wurde und in diesem Jahr den „Ohrkanus“ für sein Lebenswerk bekam, ist, dass er seine jungen Hörer zur klassischen Musik führt. Er nimmt kindliche Wahrnehmung ernst. So sagte mir meine damals fünfjährige Tochter Laetitia-Ribana, die von vielen seiner Hörspiele gefesselt war, nach dem ersten Treffen mit ihm im Zoologischen Garten Berlin: „Konrad ist cool!“

Konrad Halver und Marc Hairapetian, der Herausgeber des Kulturmagazins SPIRIT – EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de, kennen sich seit 1991. Im 2003 aufgenommenen Klaus-Maria-Brandauer-Hörspiel „Königshaut“ (Hörbuch Hamburg) waren Halver der Erzähler und Hairapetian Regieberater. 

www.konradhalver.de