Joseph Vilsmaier und Marc Hairapetian (Foto: Peter Mattukat)


Reinhold Messner und Marc Hairapetian (Foto: Peter Mattukat)

„Es ist eine echte Freundschaft entstanden!“

„Herbstmilch (1988)“, „Stalingrad“ (1993), „Schlafes Bruder“ (1995), „Comedian Harmonists (1997)“, „Marlene“ (2000) „Der letzte Zug“ (2006), „Die Gustloff“ (2008) oder „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ (2008): Der am 24. Januar 1939 in München geborene Regisseur und Kameramann Joseph Vilsmaier ist der Filmemacher für deutschsprachige Stoffe und Mythen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Krebstod seiner Frau, der Schauspielerin Dana Vávrová, am 5. Februar 2009, ist „Nanga Parbat“ der erste Film, den Vilsmaier ohne ihre Unterstützung fertig gestellt hat. Joseph Vilsmaier, dessen drei Töchter Janina, Theresa und Josefina allesamt den Schauspielerberuf ergriffen haben, spricht im folgenden Interview über „Nanga Parbat“, die Zusammenarbeit mit der lebenden Bergsteiger-Legende Reinhold Messner, deutschsprachige Filmstoffe und seine kritische Haltung zur Digitaltechnik.

Von Marc Hairapetian

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Marc Hairapetian: Wie sind Sie bei Ihrem auf wirklichen Ereignissen basierenden Bergsteigerdrama „Nanga Parbat“ auf die Besetzung mit eher feingeistigen Schauspielern wie Florian Stetter und Andreas Tobias als Messner-Brüder gekommen?

Joseph Vilsmaier: Es gab ein großes Casting. Das war schon schwierig, es so auszuwählen, dass die Schauspieler für die Rollen der beiden Brüder wirklich zueinander passen. Die Messners sind Südtiroler, doch von dem Gedanken aus dieser Region Darsteller auszusuchen, haben wir uns sofort verabschiedet, da die Messners als Lehrerkinder von klein auf nicht südtirolerisch gesprochen haben. Reinhold redet jetzt auch nicht mit diesem Dialekt. Außerdem hätte es kaum ein Zuschauer jenseits der Donau verstanden, zumal es gleich drei südtirolerische Dialekte gibt. Wir wollten auch keinen guten Schauspieler auswählen, der später synchronisiert wird. Wir haben mehrere Varianten gehabt und monatelang gecastet. Und dann fiel die Entscheidung zugunsten von Florian und Andreas aus.

Hairapetian: Haben Sie sich mit Reinhold Messner abgesprochen? Oder hat er Ihnen vollkommen freie Hand gelassen?

Vilsmaier: Reinhold Messner hat uns total freie Hand gelassen, er hätte aber auch gar nichts anderes machen können, weil er es vertraglich so unterschrieben hat. Wenn man ein auf realen Ereignissen basierenden Film macht, muss man vorher festlegen, wer die Verantwortung hat. Und das war nun mal ich – und das wollte er auch so. Er war „nur“ Berater am Berg. Darauf habe ich aber bestanden, denn ich bin kein Bergsteiger und weiß auch nicht wie man den Eispickel reinhaut, geschweige denn wie die Menschen auf 8000 Meter Höhe reagieren, gehen oder atmen. Da war ich froh, dass ich ihn hatte. Es war ein Superarbeitsverhältnis! Bei schauspielerischen Sachen, die zum Beispiel im Zeltlager stattfanden, war er meist gar nicht da. Den Partykeller, den er Ende der 1960er Jahre mit seinem Bruder eingerichtet hatte, schaute er sich hingegen als Originalmotiv schon an. Ansonsten ließen sich die beiden Drehbuchautoren bereits bei der Entwicklung in nichts reinreden. Sowohl er als auch wir wollten 100%ig die Frage von außen vermeiden: „Wie hat der Messner da mitgemischt?“

Hairapetian: Wie hat Messner reagiert, als er erstmals den fertigen Film gesehen hat? Hat es ihn stark mitgenommen, nun nochmals auf der Leinwand den Verlust des Bruders zusehen?

Vilsmaier: Ich weiß, was Sie meinen. Beim Drehen war es manchmal grenzwertig – für alle Beteiligten. Diese wahre Geschichte ist auch an den Mitarbeitern nicht spurlos vorübergegangen. Als der Film am Schneidetisch fertig gestellt worden ist, hat ihn das emotional schon sehr getroffen. 

Hairapetian: Wird sich Ihr Kontakt zu Messner über die Dreharbeiten und Premierenfeiern hinaus halten? Sind sie Freunde geworden?

Vilsmaier (lacht): Ich habe letztens zu ihm gesagt: „Wir werden bald heiraten!“ Wir kennen uns seit fünf Jahren, doch er ist in Bozen, die Wege trennen sich natürlich wieder, will meinen, die engen Wege. Bis jetzt hocken wir seit fast dreieinhalb Jahren fast ständig zusammen. Wir haben uns bei der Vorbereitung des Films getroffen, wir waren zusammen in Pakistan. Ohne ihn wären wir vom Filmteam auf dem Nanga Parbat verschollen, wenn wir da allein herum gegurkt wären. Ich glaube schon, dass die Verbindung weiter besteht, denn es ist eine echte Freundschaft entstanden. Es gibt auch eine Freundschaft, wo man sich nicht andauern sieht. Doch wenn man sich trifft, ist das ganz herzlich. Wenn er in München ist, treffen wir uns immer. Er ist ein unglaublich interessanter Gesprächspartner. Ich wurde ja am Anfang von einigen Seiten gewarnt, wie schwierig angeblich der Mensch Reinhold Messner wäre. Aber genau das – das kann ich ruhig sagen - hat mich noch mehr gereizt! Man darf sich da nichts einreden lassen, man muss selber die Erfahrungen machen.

Hairapetian: Sie kommen, obwohl sie selbst Urbayer sind, überhaupt nicht vom Bergsteigen. Könnten Sie sich aber trotzdem vorstellen nach „Nanga Parbat“ einen weiteren Bergsteigerfilm zu machen?

Vilsmaier: Momentan nicht, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich mag die Berge an sich unheimlich gerne, aber momentan reichen sie mir!

Hairapetian: Haben Sie beim Drehen die stilbildenden Arnold-Fanck-Bergsteigerfilme der 1920er und 1930er Jahre beeinflusst?

Vilsmaier: Nein, gar nicht. Ich lasse mich bei keinem meiner Filme auf Vorbilder ein. Ich mach meinen Schmarn, so wie ich mir das denke! Ich habe erst bewusst vor zwei Monaten mit dem Enkel von Arnold Fanck diese unglaublichen Filme gesehen. Vorher kannte ich nur den Namen. Doch vor allem seine Kurzfilme, die um Skifahren gehen, fand ich wirklich sehr beeindruckend. 

Hairapetian: Es ist mir angenehm aufgefallen, dass Sie bei „Nanga Parbat“ vorderrangig auf digitale Technik zugunsten von Drehs am den Originalschauplätzen verzichtet haben. Sind Sie kein Freund digitaler Technik?

Vilsmaier: Ja, das stimmt. Manchmal geht es zwar nicht mehr anders und man muss digitale Effekte einsetzen, weil es real zu Drehen zu teuer würde. Aber ansonsten bin ich nicht der Freak von komplett digitalen Filmen. Da gibt es keine Menschen oder Tiere. Diese Filme „leben“ einfach nicht. 

Welche Szenen mussten Sie aber in „Nanga Parbat“ digitalisieren? 

Vilsmaier: Was 100% digital gemacht werden musste, waren die Figuren, die sich in 7000-8000 Meter Höhe am Nanga Parbat bewegten. Auf diese Höhe konnte man wirklich nicht Schauspieler und Doubles hinbekommen.

Hairapetian: Wie haben Sie als nunmehr 70jähriger die körperlich anspruchsvollen Dreharbeiten selbst verkraftet?

Vilsmaier: Ganz gut. Die Schönheit der Landschaft, dieses wirkliche Naturwunder, hat mich für die Strapazen reichlich entschädigt. Man muss sich einfach einreden: Das ist jetzt dein Morgensport!

Hairapetian: Wie hoch sind Sie mit dem Team aufgestiegen?

Vilsmaier: Wir waren drei Teams, darunter Doubles und professionelle Bergsteiger wie Hanspeter Eisendle und Pauli Trenkwalder, die die gefährlichen Szenen machen mussten. Wir konnten das mit den Schauspielern bis 4500 Meter machen, höher konnte man mit ihnen nicht rauf, weil wir über im Hubschrauber installierte Mikrophe das Eis krachen und Knirschen gehört hatten. Eine Woche später war bei den Folgedreharbeiten der eine Eisvorsprung nicht mehr zu sehen – er war wohl weggebrochen. Wir mussten die Schauspieler vom Helikopter aus leiten, weil wir von oben die Szenerie besser übersehen konnten. Ansonsten mussten die Schauspieler aber am Berg mannhaft durchhalten. Die Dreharbeiten fanden mit kleinen Unterbrechungen von August 2008 bis Juli 2009 statt. Wir hatten immer zwei Ärzte dabei, die sich um unsere Gesundheit sorgten. Unser Basislager war in Höhe von 3600 Metern. Am Höhesten waren wir bei 6400 Metern. Noch weiter oben konnte der Hubschrauber nicht mehr landen. 

Hairapetian: Hat irgendwer im Team mal einen Schwächeanfall gehabt?

Vilsmaier: Vom Puls her war es manchmal schwierig und es gab die üblichen Durchfälle, doch einen Schwächenanfall hat niemand gehabt. 

Hairapetian: „Herbstmilch“, „Stalingrad“, „Schlafes Bruder“, „Comedian Harmonists“, „Der letzte Zug“ oder „Die Gustloff“ - und nun „Nanga Parbat“ .Sie scheinen ja der Regisseur für deutschsprachige Themen zu sein. War das von Ihnen von Anfang an so gewollt?

Vilsmaier: Ich glaube, mich ein wenig mit diesen Themen auszukennen. Ich schiele nicht nach amerikanischen oder französischen Stoffen, weil ich da einfach nicht der richtige bin. Ich bewege mich filmisch lieber im deutschsprachigen Raum - und mehr will ich auch nicht.

Hairapetian: Ihre Vilsmaier-DVD-Sammelbox wird angeblich von Volker Kauder, dem Vorsitzenden der CDU-/CSU-Fraktion, als Aufmerksamkeit bei besonderen Anlässen an Parteimitglieder im Bundestag verschenkt. Hätten Sie ein Problem damit, wenn die Sammelbox auch an andere Fraktionsmitglieder als Präsent gehen würde?

Vilsmaier: Natürlich nicht. Die Sache hat Volker Kauder selbst in die Hand genommen. Die DVD-Box erhält, wer ausscheidet oder einen runden Geburtstag hat. Ich glaube nicht, dass das nur parteiintern ist. Mir ist es jedenfalls völlig recht, wenn er die DVDs auch Leuten von den Grünen oder der SPD hergibt. Als Filmemacher will ich ohnehin parteiübergreifend alle Cineasten erreichen! 

Das Gespräch führte Marc Hairapetian am 4. Januar 2010.

Weitere Infos zum Film "Nanga Parbat" unter www.perathon.de