Manipulation zum besseren Verständnis

Interview mit Leelee Sobieski über Monarchie und Alltag, ihren Beinahe-Großvater Stanley Kubrick und ihre Schauspielerphilosophie.

Leelee Sobieski (eigentlich Liliane Rudabet Gloria Elsveta Sobieski) wurde am 10. Juni 1983 in New York geboren und entstammt einer Künstlerfamilie. Sie ist eine seitliche Nachfahrin des polnischen Königs Johann III. Sobieski. Bereits als Teenager begann ihre Schauspielkarriere: Als Nymphe betörte sie Tom Cruise in Stanley Kubricks finalem Epos "Eyes Wide Shut" (1997 - 1999). Die Titelrolle der "Jeanne d'Arc - Die Frau des Jahrtausends" brachte ihr 2000 sogar eine Golden-Globe-Nominierung ein. Als Kriegerin Muriella ist sie jetzt im Fantasy-Spektakel "Schwerter des Königs - Dungeon Siege" zu sehen.

Von Marc Hairapetian

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Marc Hairapetian:
Als US-amerikanische Schauspielerin haben Sie französische und polnische Vorfahren.
Einer davon war der polnische König Johann III. Sobieski. Sind Sie darauf stolz?

Leelee Sobieski:
Die wirklich komplizierten Stammbaumverästelungen kommen über meinen Onkel zustande. Ja, ich bin ein wenig stolz, obwohl diese Monarchie lange vorbei ist. Es ist mehr Geschichte als irgendetwas anderes in meinem Leben.

Hairapetian:
In der Verfilmung des klassischen Rollenspielstoffs "Schwerter des Königs - Dungeon Siege" spielen Sie die Kriegerin Muriella, die zwar für das Gute kämpft, sich aber auch auf in böse Machenschaften einlässt. Was hat Sie an der Rolle gereizt?

Sobieski:
Das Drehbuch zu "Schwerter des Königs - Dungeon Siege" ist sicherlich keine psychologische Doktorarbeit. Doch der in der Figur enthaltene Dualismus interessierte mich. Wir alle tragen gute und schlechte Eigenschaften in uns, die schlechten sollten allerdings nie die Oberhand gewinnen.

Hairapetian:
Jeder zweite Fantasy-Film wimmelt nur so vor Königshäusern, die sich bekriegen. Doch was denken Sie über Monarchie? Ist sie noch nötig im neuen Jahrtausend?

Sobieski: Das ist die ungewöhnlichste Frage, die ich je gestellt bekommen habe. Ich denke, es ist gut, ein politisches System der Balance wie bei der Demokratie zu haben, auch wenn das nicht immer funktioniert. Die Idee einer Monarchie ist in sich romantisch, weil große Volksteile häufig von einem absolutistischen Führer träumen, der alles zum Guten wendet. Doch wir wissen aus der Geschichte, was passieren kann, wenn Legislative, Judikative und Exekutive in den Händen einer Person liegen. Das funktioniert ja noch nicht mal im familiären Verbund. Die Vorstellung von einer Königin wie zum Beispiel Queen Elizabeth mutet magisch an, aber letztendlich ist es auch "nur" ein Job und wenn Du zuviel Macht hast, kannst Du korrupt werden. Alle Macht zu haben, nicht korrupt zu sein und dennoch fürs Volk zu sorgen, ist sehr selten.

Hairapetian:
Wenn wir über Romantik sprechen: Sind Sie eine Romantikerin?

Sobieski:
Ein eindeutiges: Jaaaa!

Hairapetian:
Sie entstammen einer Künstlerfamilie. Ihr Vater ist Maler, Ihre Mutter Schriftstellerin. Sind Sie auch daran interessiert, andere Dinge beruflich zu tun, als zu schauspielern?

Sobieski:
Ich liebe es, zu malen. Das mache ich andauernd in meiner Freizeit. Ich würde auch gerne Regie führen, habe aber noch nicht die richtige Geschichte dafür.

Hairapetian:
Sie begannen Ihre Karriere als Teenager. Bereits 1997 standen Sie in England für Stanley Kubricks letztes Werk "Eyes Wide Shut" vor der Kamera. Wie kam es dazu?

Sobieski:
Durch einen kleinen Trick. Ich war 13, aber Stanley dachte, ich wäre 14. Er wollte nämlich nur Mädchen im Alter von 14 bis 18 für die Rolle der frühreifen, nymphoman veranlagten Tochter des Kostümverleihers in "Eyes Wide Shut". Meine Mutter liebte seine Filme über alles - und deshalb machte sie bereits in ihrer Jugend am College, wo es keine Kurse über ihn gab, eine unabhängige Studie über sein Werk. So erfüllte sich also nicht nur für mich ein Traum, sondern auch für sie, als ich eine Einladung zum Vorsprechen für "Eyes Wide Shut" bekam. Ich musste einen dreiseitigen Monolog halten, der nichts mit dem Film zu tun hatte. Stellen Sie sich das vor! Drei Seiten nur reden und in "Eyes Wide Shut" sage ich später nur "Hallo!"... Doch das war sehr repräsentativ für Stanley und seine Arbeitsweise. Hinter einem Wort stecken drei Seiten und so viel mehr. Ich fragte ihn, warum er mich ausgewählt hätte - und er antwortete: "Weil Du die einzige bist, die ich mir für die Rolle vorstellen kann."

Hairapetian:
Das ist ein großes Kompliment. Wie war die Zusammenarbeit mit dem unbestechlichen Perfektionisten?

Sobieski:
Ich erinnere mich, wie ich zum Set kam und ihn zum ersten Mal traf. In der Sekunde, wo ich ihn sah, mochte ich ihn, weil seine Augen so warm waren und voller Glanz. So umarmte ich ihn. Obwohl er ein Mann war, der alles bis zum letzten Detail kontrollierte, war er der offenste Regisseur, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Er war aufnahmebereit für Fragen, Vorschläge und neue Ideen. Er war so freundlich zu mir und meiner Mutter, die er in seiner einzigartigen Manier fragte, als sie während der Dreharbeiten in einer Ecke sitzend in einem Buch las: "Was ist das für ein Stoff? Glauben Sie, man kann daraus einen Film machen?"

Hairapetian:
Nur eine Woche nach der Fertigstellung von "Eyes Wide Shut" verstarb er plötzlich...

Sobieski:
Das war ein großer Schock für mich, weil er der erste Mensch in meinem Leben war, den ich in mein Herz geschlossen hatte und der starb. Ich wollte in ihm den Großvater, den ich nie hatte, sehen, doch das war er überhaupt nicht. In den zwei Monaten, in denen ich mit ihm zusammenarbeitete, wirkte er so jung und vital, in ihm pulsierte das Leben. Mal war er wie ein Kind, dann wie mit 20 oder 40 - nur, dass er die Erfahrungen von sieben Lebensjahrzehnten hatte. Ich malte ihm ein Bild, als die Dreharbeiten zu Ende waren. Er schickte mir darauf eine riesige Packung Schokolade und einen zauberhaften Brief, in dem er schrieb: "Wenn Du mich das nächste Mal besuchst, zeige ich Dir mein London." Ich dachte, das wäre so cool, Stanley Kubricks London zu sehen, doch es kam nicht mehr dazu. Als ich vor einigen Jahren zu einer anderen Filmpremiere auf dem Londoner Flughafen landete, beschlich mich das traurige Gefühl, das ich diesen speziellen Platz nie mehr zu Gesicht bekommen würde. Als Künstler habe ich Stanley als Genie in Erinnerung. Und als Mensch war er schön, warmherzig und großzügig. In meinem Schlafzimmer hängt das Poster eines Kubrick-Porträts, das seine Frau Christiane im Stil Gauguins gemalt hat.

Hairapetian:
Oskar Werner sagte einmal: Schauspielerei ist ohne geistige Manifestation ein verlogener Beruf." Wie lautet Ihre Philosophie?

Sobieski:
Schauspielerei ist eine Manipulation seiner selbst, aber solch eine, die dazu führt, dass man sich in andere Personen hineinversetzen und sie dadurch besser verstehen kann.

Hairapetian:
Und was ist Ihnen wichtiger als die Schauspielerei?

Sobieski:
Vieles. Die Liebe. Und vor allem mit meiner Hündin Nina Simon, die mich fast überall hin begleitet, zu spielen.

Das Gespräch mit Leelee Sobieski, die anlässlich des Hessischen Film- und Kinopreises auf Kurzbesuch in Frankfurt/Main war, führte Marc Hairapetian am 12. Oktober 2007.