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Karl May Convention 2014: Salute! Cheers! Genazed! THE SPIRIT aka Marc Hairapetian and Rik Battaglia at Hollywood Media Hotel (Berlin, August 3, 2014, photo by Wolfgang Stradner for www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de

Der Matrose, der ein Filmstar wurde

Von Menschen und Hunden: Letztes Interview mit Winnetou-Killer und Schauspielerlegende Rik Battaglial

Von Marc Hairapetian

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Er spielte die Schurken so kalt und durchtrieben wie kein anderer. In Wirklichkeit war er die Liebenswürdigkeit in Person: Rik Battaglia, geboren als Caterino Bertaglia am 18. Februar 1927 im italienischen Corbola (Provinz Rovigo), gestorben am 27. März 2015 ebenda), wurde durch sein Mitwirken in gleich acht Karl-May-Filmen international bekannt, drehte aber auch mit Regielegende Sergio Leone und Weltstars wie Charlton Heston oder Orson Welles anspruchsvollere Kinowerke. Größere Ansicht anzeigen Das stattliche Mannsbild, das zahlreiche Affären nicht nur mit seinen Filmpartnerinnen hatte, nahm nie ein Blatt vor dem Mund. Auch nicht in seinem letzten Interview, dass er mit Marc Hairapetian führte. Die beiden hatten sich beim Karl-May-Fest im August 2014 in Berlin kennengelernt und pflegten eine kurze, aber intensive Freundschaft bis zum trotz des hohen Alters überraschenden Tod von Rik Battaglia. Im Gespräch wirkte die Schauspielerlegende mit der supertiefen Bassstimme um Jahrzehnte verjüngt, war stets zu Scherzen aufgelegt und machte der vietnamesischen Freundin Hairapetians charmant Komplimente indem er sie nur mit "Fiore" ("Blume") anredete. Er lud die beiden sogar nach Italien ein und brachte ihnen im Restaurant bei wie man "richtig" Pizza isst: In vier Teile zerlegt und zusammengerollt. Obwohl er nur noch mit Stütze gehen konnte und sich meistens im Rollstuhl fortbewegte, deutete nichts auf seinen nahenden Tod hin. Doch das Herz machte in der Nacht von Freitag auf Samstag plötzlich nicht mehr mit. Wer hätte gedacht, dass man Winnetous Filmmörder so lieb gewinnen konnte? Mille grazie, Rik (Caterino)!

 Marc Hairapetian: Du hast in fast 100 Filmen mitgespielt: Edle Charaktere, wie Bösewichte. Was hat dir mehr Spaß gemacht?

 Rik Battaglia: Eindeutig der Bösewicht. Du hast auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit, wenn Dich alle hassen. Außerdem kann man als Film-Schurke Dinge ausprobieren, die man sich im wirklichen Leben nicht traut. Und ich sage Dir etwas: Intelligent macht einen Mann sexy, aber auch eine gewisse Skrupellosigkeit. Im Bett wollen Frauen keine Weicheier. Winnetou ist nobel, aber auch etwas langweilig. Und rate mal, wer mehr Kolleginnen nach Drehschluss in sein Wigwam bekommen hat, Pierre Brice oder ich?

 Marc Hairapetian: Ich tippe mal auf dich, Rik...

 Rik Battaglia: Richtig! Aber sag lieber Caterino zu mir. Das ist mein richtiger Vorname. Man muss einer Frau das Gefühl geben, Sie tausendprozentig zu begehren. Dann frisst sie dir förmlich aus der Hand.

 Marc Hairapetian: Also Caterino. Hattest du wirklich 1000 Frauen, wie du mal gesagt haben sollst?

 Rik Battaglia: Ich habe keine Strichlisten geführt, aber das kommt hin. Ich war kein Kostverächter. Gefühl und Zärtlichkeit haben aber immer dabei eine Rolle gespielt.

Größere Ansicht anzeigen Marc Hairapetian, Gabriella Oanh Vo (von Rik Battaglia nur "Fiore/Blume"genannt), Rik Battaglia und Antonella Dorgia im Café Callas (Berlin, 3. August 2014, Foto: Wolfgang Stradner für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de.

 Marc Hairapetian: Die Karl-May-Filme haben Dich in Deutschland berühmt-berüchtigt gemacht. Lange Zeit hat man dir den Winnetou-Mörder Rollins nicht verziehen. Doch als du im letzten August zum Karl-May-Fest nach Berlin kamst, haben dich die immer noch zahlreichen Fans gefeiert wie keinen anderen Schauspieler zuvor.

 Rik Battaglia: Wir haben uns wunderbar miteinander ausgesöhnt. Früher bekam ich per Brief Morddrohungen: "Pass auf, wir knallen dich ab, wie du es als Rollins mit Winnetou gemacht hast!" Jetzt heißt es auf einmal: Rik, wir lieben dich!" Die Wärme, die mir in Berlin die Karl-May-Fans, die nicht nur nur aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch aus Serbien, Kroatien, Polen, den Niederlanden und der Tschechischen Republik angereist waren, entgegenbrachten, wird mir immer unvergesslich bleiben.

 Marc Hairapetian: Das Galadinner des Karl-May-Festes fand in Artur Brauners Hollywood-Media Hotel am Kurfürstendamm statt. Hast du dich mit dem mittlerweile 96jährigen Produzenten inzwischen ausgesöhnt?

 Rik Battaglia: Ich habe ihm einiges zu verdanken, da er mir 1964 die Titelrolle des Schut, des wohl neben Santer berühmtesten Karl-May-Bösewichts anvertraute. Aber er ist auch indirekt mitverantwortlich dafür, dass ich jetzt im Rollstuhl sitze. 1968 bei den Dreharbeiten zu "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" erhielt ich durch Georg M. Reuther, der als sein Herstellungsleiter die Filmgeschäftsführung innehatte, eine verunreinigte Spritze und infizierte mich mit mit Hepatitis. Wochenlang war ich in Zagreb im Krankenhaus. Bei Artur Brauner musste alles immer möglichst schnell und billig abgedreht werden. Manche Schauspieler - nicht die Topstars - mussten ab und an auch auf die Gehälter warten. Beim letztjährigen Galadinner im Hollywood Media Hotel hielt Artur Brauner eine Lobrede auf mich. Er sagte, ich wäre nicht nur der beste Schurkendarsteller der Karl-May-Filme, sondern weltweit in diesem Fach die Nummer Eins. Sehr schmeichelhaft. Ich bin aber am Tisch trotzdem erst einmal sitzen geblieben und nicht auf ihn zugegangen. Er hätte ja mal öffentlich bedauern können, dass ich bei einem seiner Filme so schwer erkrankte, dass sogar die Dreharbeiten unterbrochen werden mussten.

 Marc Hairapetian: Dein Schlag bei den Frauen ist bekannt. Wie hast du dich mit männlichen Kollegen am Set vertragen?

 Rik Battaglia: Professionell gut. Dieter Borsche, Ralf Wolter, Walter Giller, Chris Howland und Eddi Arent beispielsweise waren sehr nett und kameradschaftlich. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen. Lex Barker war auch ok. Man konnte gut mit ihm mal ein Glas zusammen heben. Pierre Brice war für meinen Geschmack etwas zu eitel. Er hat die Rolle des edlen Apachen zu ernst genommen, dabei hat er damals kaum ein Karl-May-Buch im Original gelesen. William Rothlein, der bei "Das Vermächtnis des Inka" den "Sohn der Sonne" Haukarapora spielte, war stockschwul. Nachdem ich ihn klar machte, das er mich nicht anzumachen brauchte, wo er ohnehin fast ausschließlich auf ganz junge Burschen stand, kamen wir prächtig miteinander aus. Weißt du wer mir besonders an Herz gewachsen ist?

 Marc Hairapetian: Erzähl bitte.

 Rik Battaglia: Freddy Quinn. Wir drehten 1964 das Western-Musical "Freddy und das Lied der Prärie". Ich musste mich im Nadelstreifenanzug im Salon meistens nur herzeigen und eifersüchtig geben, weil ihm meine Film-Flamme, US-Sexsymbol Mamie van Doren, schöne Augen machte. Freddy war zwar kein Schauspieler, aber ein guter Junger, der sogar Tipps von mir annahm. Wie ich hörte, lebt er jetzt leider sehr zurückgezogen. An dieser Stelle einen schönen Gruß an ihn. Vielleicht liest er ja irgendwo das Interview.

(Während unseres Gesprächs klingelt Battaglias Handy. Er bittet um Entschuldigung und hebt ab: Es ist Marie Versini, mit der er abwechselnd auf italienisch und französisch spricht)

Größere Ansicht anzeigen "I am not a bad guy": Rik Battaglia enter the Gala Dinner of Karl May Convention 2014 (Hollywood Media Hotel, August 2, 2014, photos by Wolfgang Stradner for SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de)

 Rik Battaglia: Marie ist einfach zauberhaft! Ihr Mann, der Regisseur Pierre Viallet ist leider vor kurzem gestorben. In den 1960ern Jahren hatte ich auch eine Liaison mit ihr. Sie sieht engelhaft aus, doch wenn wir allein zusammen waren, wollte sie alles, nur keinen Blümchensex.

 Marc Hairapetian: Du sprichst sehr offen über dein Privatleben.

 Rik Battaglia: Ja, das mache ich, weil Du mir so sympathisch bist! Ich bin spontan und direkt, kein Lügner.

 Marc Hairapetian: Wie sieht es jetzt mit deinem Liebesleben aus?

 Rik Battaglia: Na, ja, sieh mich doch an. Ich bin bald 90. So wild wie früher bin ich nicht mehr. Aber meine Freundin ist 45 Jahre jünger als ich. Das fordert mich heraus und hält mich jung - auch geistig!

 Marc Hairapetian: Angst vor dem Tod?

 Rik Battaglia: Si, aber nur, wenn ich allein bin. Aber das ist fast nie der Fall! (Er lacht sein berühmtes sonores Lachen)

 Marc Hairapetian: Du hast mit zahlreichen internationalen Größen gedreht: Mit Regielegende Sergio Leone 1971 "Todesmelodie". Und 1972 mit Hollywood-Star Charlton Heston "Ruf der Wildnis". Im selben Jahr auch mit Orson Welles noch "Die Schatzinsel". Hattest du Manschetten vor diesen Weltstars?

Größere Ansicht anzeigen Karl May Convention 2014: THE SPIRIT aka Marc Hairapetian and Gabriella Oanh Vo with their friend Rik Battaglia at Astor Film Lounge. Mille grazie, Rik (Caterino)! (Berlin, August 3, 2014, photo by Wolfgang Stradner)

 Rik Battaglia: Keineswegs. Du weisst doch, ich bin selbstbewusst. Mit Leone zu drehen war wirklich etwas ganz besonderes. Er nahm schauspielerische Ratschläge an, obwohl er die Szenen bereits immer zuvor durchkomponiert hatte. Doch wenn ihn ein Einfall verblüffte, baute er ihn noch ein. Die Musik von Ennio Morricone, der einer meiner besten Freunde ist, spielte er uns direkt am Set vom Tonband vor und wir mussten dazu agieren! Wahnsinn! Das beflügelte einen regelrecht. Charlton Heston war ein guter Schauspieler, manchmal etwas steif, aber er wusste, wer Shakespeare ist und wie man Jack London spielt. "Seewolf" Raimund Harmstorf war da viel lockerer. Dazu ebenfalls sehr belesen und - man glaubt es kaum bei seiner Statue - feinsinnig. Orson Welles war sich seines Genies auch sehr bewusst, aber wie Leone akzeptierte er Vorschläge von Kollegen, wenn sie gut waren.

 Marc Hairapetian: Hast du einen eigenen Lieblingsfilm?

 Rik Battaglia: Ja, "Zanna Bianca", auf Deutsch: "Jack London: Wolfsblut", aus dem Jahr 1973. Lucio Fulci war ein toller Regisseur, der die Tiergeschichte realistisch und mit der ihr zugrunde liegenden Härte inszenieren wollte. Ich war zusammen mit John Steiner mal wieder auf der Schurkenseite und traf am Set auf großartige Kollegen wie Virna Lisi, Franco Nero, Daniel Martin und nochmals Raimund Harmstorf. Auch der Junge, der den kleinen Indianer spielte, Missaele hiess er wirklich, war aufgrund seiner Natürlichkeit ein absolutes Talent. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist... Es tat mir nur leid, dass ich so gemein zu Wolfsblut sein musste, der in Wirklichkeit ein Deutscher Schäferhund war. Hunde sind mir die liebsten Wesen. Absolut treu. Sie lieben dich, weil du sie liebst, egal, ob du nun hässlich oder schön, arm oder reich bist. Victor Hugo hat einmal gesagt: "Der Hund ist die Tugend, die sich nicht zum Menschen machen konnte." Wie wahr! Niemand konnte sich so gut in die animalische Seele versetzen und aus ihrer Sicht Geschichten schreiben wie Jack London. Deshalb habe ich 1991 zusammen mit John Savage noch einmal in einer weiteren "Ruf der Wildnis"-Adaption ,"Bucks größtes Abenteuer", mitgewirkt.

 Marc Hairapetian: Dein letzter Filmauftritt war 1999 im der TV-Serie "Pumuckls Abenteuer". Hans Clarin bist du aber nicht begegnet, oder?

 Rik Battaglia: Nicht am Set. Da spielte ich als Küster mit der "Luft" - moderne Zeiten! Doch wir haben uns später kennen gelernt und da erzählte er mir, was überhaupt ein Kobold ist. Die Episode hieß "Pumuckls Abschiedsfoto". "Battaglias Abschiedsfilm" wäre besser gewesen. Es war nichts Großes, aber herzerwärmend. Für die Kinder aber habe ich es gerne gemacht.

 Marc Hairapetian: Du trägst immer eine an einer Kette hängende Medaille um den Hals. Auch jetzt. Was hat es damit auf sich?

 Rik Battaglia: Ich wurde ja 1955 in einer Bar von einem Talent-Scout entdeckt und dann gleich von Carlo Ponti für den Film "Die Frau vom Fluss" mit seiner Auserwählten, der Sophia Loren, verpflichtet. Vorher bin ich als Matrose zur See gefahren, deshalb meine Arbeiterhände. Nach dem Erfolg des Films hatte ich Blut geleckt und besuchte zwei Jahre das renommierte Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom und schloss mein Schauspielstudium als Jahrgangsbester ab. Das hier ist die Ehrenauszeichnung in Form einer Medaille. Nicht schlecht für jemand, der seinen Vater nie kennenlernte, seine Mutter selten sah und bei seiner Großmutter in der Provinz Rovigo aufwuchs, oder?

Das Interview mit Rik Battaglia führte Marc Hairapetian für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de.
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