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Mohrrüben zum Geburtstag

Interview mit Wolfgang Buresch, dem Schöpfer von "Plumpaquatsch" und dem "Hasen Cäser"

Von Marc Hairapetian

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Er ist die lebende Legende des westdeutschen Kinderfernsehens, dessen Programme heimlich von jung und alt auch in der DDR gesehen wurden: Der am 4. Februar 1941 in Kiel geborene Wolfgang Buresch begeisterte das Publikum von den 1960er bis 1980er als Puppenspieler, Schauspieler und nicht zuletzt Autor mit Serien wie "Stoffel und Wolfgang", "Hase Cäsar", "Maxifant und Minifant", Plumpaquatsch" und "Emm wie Meikel". Der ehemalige NDR-Fernsehredakteur (1971 - 2002) hat nicht nur 14 Kinderbücher geschrieben und die Skripte zu circa 100 Kinderschallplatten verfasst, er war auch eines der jüngsten Mitglieder der ruhmreichen Hohnsteiner Puppenbühne (1959 - 1963) und lieh in den 1970er und 1980er Jahren in den kultverdächtigen Hörspieladaptionen der Comic-Reihe "Tim und Struppi" dem weißen Foxterrier des rasenden Reportes seine Stimme. Der Wahl-Hamburger, der immer noch als freier Autor, Puppenspieler, Coach und Regisseur tätig ist, nahm sich für die Beantwortung der Fragen des ruhelosen SPIRIT, für den damit ein Kindheitstraum wahr wurde, viel Zeit. Bitteschöööön - lesen Sie hier nun exklusiv in SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM das große Wolfgang-Buresch-Interview !

Größere Ansicht anzeigen Marc Hairapetian: 1959 stiegen Sie als 18jähriger beim legendären Hohnsteiner Puppenensemble ein. Was bewog Sie, den Beruf des Puppenspielers zu ergreifen? Was fasziniert Sie so sehr am Puppenspiel?

Wolfgang Buresch: Ich bin im Theater groß geworden; meine Mutter war Soubrette, und ich saß oft bei Proben und Aufführungen neben der Souffleuse in ihrem Kasten. Es stand für mich schon sehr früh fest, dass ich zum Theater wollte. Dann machte ich als 13jähriger Jugendbewegter einen Lehrgang bei den Hohnsteinern mit und war fasziniert vom Hund Struppke und dem direkten Kontakt zum Publikum. Außerdem war mir klar, dass ich als Schauspieler auf der Menschenbühne noch lange warten müsste, bis ich den Faust spielen könnte. Bei den Hohnsteinern wurde das mit 18 Jahren meine erste große Rolle. Das lockte mich als jungen Komödianten schon sehr!

Marc Hairapetian: Für die Hohnsteiner machten Sie auch Hörspielaufnahmen, die bei Philips/Fontana (später wiederveröffentlicht bei Deutsche Grammophon und Karussel) herauskamen. Paraderollen waren dabei der Seppl und Kaspers Hund Stoffel, aber auch der Kobold in 'Das fliegende Haus'. Spielten Sie diese Figuren auch auf der Bühne und welche Erinnerungen haben Sie an die Tonträgeraufnahmen?

Wolfgang Buresch: Die wenigsten Hörspiele gab es auch als Bühnenstücke. In den Stücken, die es auch auf der Bühne gab, spielte ich auch die Rollen aus den Hörspielen - glaube ich jedenfalls. Das ist jetzt fast 50 Jahre her...
 An die Aufnahmen erinnere ich mich gut; auf einer großen Bühne sind wir hin und her geflitzt - damals wurde der Stereo-Effekt noch live und nicht technisch am Mischpult erzeugt.

Marc Hairapetian: Sie lernten noch Max Jacob kennen. Welcher Kasper war Ihnen näher? Seiner oder der von Friedrich Arndt?

Wolfgang Buresch: Der Kasper von Max Jacob entsprach mehr meinen Geschmack. Wenn bei Max der erste Zuschauer über eine Pointe seines Kaspers zu lachen begann, hörte er auf, sie weiter zu präsentieren. Friedrich wollte mit seinem Kasper alle Zuschauer zum Lachen bringen, und er präsentierte seine Pointen im Zweifelsfall dementsprechend ausführlich. Max wollte die Zuschauer mit der raschen Auffassungsgabe nicht langweilen; Friedrich die bedächtigeren nicht benachteiligen.

Marc Hairapetian: Wie erklären Sie sich eigentlich, dass sich die Figur des ursprünglichen Kaspers vom unsympathischen Raufbold und Salzburger 'Sauschneider' zum Helfer aller Schwächeren entwickelte?

Wolfgang Buresch: Ich denke, als der Possenreißer hoffähig wurde, änderten sich auch seine Manieren. Wir wissen z.B. von Hofnarren, die vulgär, derb und in ihren Späßen sehr archaisch gewesen sein müssen - wenn es denn dem Geschmack des Herrschers entsprach. Es soll aber auch intelligente, ironische, ja sogar weise Narren gegeben haben. Also, wie es Euch (den Herrschenden/Zuschauern) gefällt!

Marc Hairapetian: Warum stiegen Sie 1963 bei den Hohnsteinern aus?

Wolfgang Buresch: Ich hatte inzwischen geheiratet, eine Vollakademikerin. Damit mein Selbstwertgefühl keinen Knacks bekam, besuchte ich das Abendgymnasium, bis ich als Gasthörer an der Uni zugelassen wurde. Mein Interesse galt neben der Theaterwissenschaft der Psychologie und Pädagogik, also den beiden Fächern, in denen meine Frau zuhause war.
 Außerdem wollte ich 'Film' (Schnitt, Regie, etc.) lernen und als Autor für Kinder arbeiten, der seine Stücke ausnahmslos selbst, entweder als Sprecher, Schauspieler, Puppenspieler oder Regisseur umsetzt.

Marc Hairapetian: Was halten Sie von den anderen Kasper-Spielern und Sprechern wie dem Ensemble um den Hamburger Polizei-Kasper oder dem Augsburger Kasperle von Gerd von Haßler? Sind Sie von Haßler mal begegnet? Er lebte ja lange Zeit auch in Hamburg.

Wolfgang Buresch: Nein, ich bin Gerd von Haßler nie begegnet, kenne seine Art zu spielen nur durch Aufzeichnungen und Erzählungen. Das, was ich von ihm kenne, hat mich zum Lachen gebracht. Ich denke, jeder Kasper, der seinen Zuschauern Freude macht, ist ein guter Kasper. Das trifft auch ganz besonders für die vielen, zum Teil ganz großartigen Kasperspieler bei der Polizei zu. Ich habe da Mutterwitz, Spielfreude und Schlagfertigkeit erlebt, die mich vergessen ließen, dass in den Spielen Verkehrsregeln vermittelt werden sollten. Das ging den zuschauenden Kindern sicher nicht anders!

Marc Hairapetian: Bis Ende der 1970er Jahre war der Kasperle der Freund aller Kinder im deutschsprachigen Raum. Warum ist er etwas aus der Mode gekommen; warum das Puppenspiel im Allgemeinen? Heute würde leider niemand mehr ein Haupt-Kinderprogramm mit einer Puppe und einem Menschen im Zentrum des Geschehens machen. Selbst die Augsburger Puppenkiste darf im Fernsehen nicht mehr ein neues Stück zur Weihnachtszeit präsentieren...

Wolfgang Buresch: Da kommt einiges an Gründen zusammen. Zunächst war ja lange nur das Kaspertheater die akzeptierte Form von Kinderunterhaltung. Daneben gab's nicht viel anderes: kein Kindertheater, keine 'realen' Kinderfilme, bestenfalls noch einige wenige Märchenfilme im Kino.
 Der Anspruch, 'auch Kinder haben ein Recht auf Unter-haltung', konnte erst dann formuliert werden, als Kin-der nicht mehr nur als 'unfertige Erwachsene' gesehen wurden, sondern als eigenständige Menschen, deren Entwicklungsstufe es zu achten und zu schützen gilt.
 Als das Fernsehen aufkam, wollte es (ältere) Kinder in erster Linie entweder 'kindgemäß' beschäftigen oder bilden. Es gab Bastel-Sendungen und Sport-, Spiel- und Ratesendungen. Da agierten Kinder im Studio stellver-tretend für zuschauende Kinder vor den Geräten, ver-gleichbar mit den heutigen Kochsendungen für Erwach-sene.
 Dann wurde als preiswerte Form der Kinderunter-haltung im Fernsehen das Puppentheater entdeckt. Zunächst wurden Kasperstücke einfach abgefilmt. Doch rasch entwickelte sich das Puppenspiel zu einer dem Medium adäquaten Kunstform. Auf die Guckkasten-bühne wurde verzichtet, die Spielleiste aufgelöst, die Puppen bewegten sich frei im Raum. Themen der Inszenierungen wurden Märchen, Sagen, biblische Geschichten und literarische Vorlagen. Schließlich wurde auch eine der Stärke des Puppenspiels, der direkte Kontakt mit dem Publikum, fernsehgerecht übersetzt: der menschliche Partner der Puppe über-nahm erfolgreich diese Rolle.
 Als auch Kinderprogramme endlich vergleichsweise ordentlich etatisiert wurden, und - wie gesagt - der kindliche Anspruch auf Unterhaltung nicht mehr tabuisiert wurde, kamen die Formen dazu, die wir aus dem Fernsehen für Erwachsene kennen. Zunächst Fernsehspiele, Quiz- und aufwendige Dokumentation, dann Abenteuerserien und vor allen Dingen Zeichen-trickfilme.
 Es ist ja nicht so, dass es heute keine Fernsehsendun-gen mit Puppen mehr gibt; sondern diese Form gibt es neben all den anderen Formen. Im Gegenteil, Sendun-gen mit Puppen und Menschen sind heute auch Teil der Fernsehunterhaltung für Erwachsene geworden.

Marc Hairapetian: Warum ist heute ein epischer Puppenfilm wie 'Robbie, Tobbie und das Fliewatüüt' im TV nicht mehr möglich?

Wolfgang Buresch: Weil diese Form der epischen Fernseherzählung nicht dem augenblicklichen hektischen Zeitgeist entspricht. Ich sehe allerdings Anzeichen dafür, dass das Pendel ganz langsam wieder in die andere Richtung ausschlägt; zur ruhigeren, epischen Erzählweise.

Marc Hairapetian: Was ist der beste Puppenfilm aller Zeiten?

Wolfgang Buresch: Das weiss ich nicht. Erstens kenne ich sicherlich nicht alle Puppenfilme. Zweitens würde ich mir nie anmaßen, meinen Geschmack zu generalisieren. Der Puppenfilm, der mich in meinem bisherigen Leben am meisten beeindruckt hat, ist der Puppentrickfilm 'Ein Sommernachtstraum' von Jirí Trnka, aus dem Jahr 1959.

Marc Hairapetian: Was halten Sie von Computeranimation im Kinderfilm? Selbst die Disney-Filme werden nicht mehr handgezeichnet...

Wolfgang Buresch: Natürlich sind die Bild für Bild gezeichneten Filme die lebendigsten, allerdings auch die teuersten. Schon lange gibt es daher die Mischform, dass die händischen Phasen zwischen dem Anfang und dem Ende eines Bewegungsablaufes von Computern erledigt werden. Das ist kein Qualitätsverlust und für den Laien und auch für viele Fachleute sowieso nicht zu erkennen.
 Die reine Computeranimation finde ich immer noch steril. Doch sie wird immer besser, und die Kinder, die nichts anderes gewohnt sind, werden es für die 'richtige' Form halten; ich nenne das den 'Fischstäbchen-Effekt'. (Viele Kinder von heute haben nie erfahren, das Fische Tiere mit Gräten sind.)

Marc Hairapetian: Sie aber waren ab 1965 bis Anfang der 1980er Jahre sehr erfolgreich mit von Ihnen entwickelten Puppenprogrammen im TV. Den Anfang machten Stoffel (kein Hund, sondern ein Kind) und Wolfgang, wo Sie auch die Wahrnehmung von Kleinkindern sehr ernst nahmen. Später war das bei den Teletubbies, einem Programm für die Jüngsten, nicht mehr der Fall, wo nur noch gelallt, statt gesprochen wurde. Woran liegt es, dass die kindliche Wahrnehmung von heutigen Fernsehmacherm nicht mehr als wichtig wahrgenommen wird?

Wolfgang Buresch: Ja, ich habe mich mit meinen Programmen an der kindlichen Entwicklung orientiert; habe Kinder immer ernst genommen. Ich liebe Menschen und ihre Möglichkeiten. Ich denke, das machte auch den Erfolg meiner Sendungen aus.
 Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, das hätten die Macher der Teletubbies nicht getan. Das war ein erst-klassiges Programm für die Zielgruppe, für die es ge-dacht war; für zweijährige Kinder. Es spiegelte deren Bewegungen und Lautierungen. Da auch Zweijährige - so wie alle Menschen - sich bestätigt und ernstgenom-men fühlen, wenn ihr Verhalten in einem positiven Umfeld gespiegelt wird, haben sie die Teletubbies mit großem Vergnügen gesehen und sich vor den Bild-schirmen mit bewegt usw. (Viele Untersuchungen haben das bestätigt). Für mich stellt sich bei der Serie eine ganz andere Frage: Sollen wir für Zweijährige Fernsehprogramme anbieten?

Marc Hairapetian: Wie kamen Sie eigentlich 1971 zur TV-Redakteursstelle beim NDR, die Sie bis Ende 2001, u. a. sogar als Leiter der 'Abteilung "Kinder, Jugend und Familie ' inne hatten?

Wolfgang Buresch: Der NDR, für den ich 'Stoffel und Wolfgang' produzierte, suchte einen Mitarbeiter im Familienprogramm für das Kinderprogramm und fragte mich, ob ich das übernehmen wolle. Sicherlich auch, weil ich damals beim WDR (ab 1969), die seinerzeit erfolgreichste Kinderserie der ARD mit dem Hasen Cäsar, 'Schlager für Schlappohren', produzierte.

Marc Hairapetian: Genau. Sie waren alles andere als nur an den Schreibtisch gefesselt, sondern entwickelten Erfolgsprogramme wie den Hasen Cäsar, der auch ihre Stimme trug. Konnte man sich damals eigentlich Sendungen selbst genehmigen oder scheiterten Sie auch mal mit der Umsetzung von Konzepten?

Wolfgang Buresch: Mit meinem ersten Vertrag beim NDR wurde ich als 'Autor, Regisseur und Redakteur' eingekauft. Die Entwicklung von Sendereihen, die ich zum Teil auch als Puppenspieler selbst realisierte, hatte in erster Linie mit dem geringen Etat zu tun, der mir zunächst zur Verfügung stand. Ich bin während meiner Zeit beim NDR weder als Autor, noch als Regisseur oder Puppenspieler zusätzlich honoriert worden.
 Natürlich musste ich mir meine Sendungen von den jeweiligen Fernsehdirektoren genehmigen lassen. Doch das war immer unproblematisch; da ich ja bereits durch meinen freiberuflichen Erfolg ausgewiesener 'Fachre-dakteur' war; also von meiner Zielgruppe soviel ver-stand, dass ich Nachfragen immer überzeugend beant-worten konnte.

Marc Hairapetian: Ist Ihnen als Redakteur auch mal ein Konzept oder der Entwurf zu einem Programm auf den Tisch geflattert, was Sie abgelehnt hatten und was woanders gross herauskam?

Wolfgang Buresch: Nein. Einerseits lag das sicher daran, dass ich mich intensiv damit beschäftigte, was Kinder interessierte, und das gut beurteilen konnte.
 Andererseits ist es sicher auch Zufall, denn ich erinnere mich an Filmdrehbücher sehr erfolgreicher Kinofilme, die ich zur Realisation nicht angenommen hätte, weil ich überzeugt davon war, dass sie nicht 'funktionieren' würden. Allerdings waren das Stoffe für Erwachsene.

Marc Hairapetian: Die Puppe des Hasen Cäsar war eigentlich von den Hohnsteinern für das Erwachsenen-Puppentheaterstück 'Undine' entwickelt worden. Wie schaffte es der auf freche Art liebenswürdige Mümmelmann dann ins Kinderprogramm, bei dem er mit seinen 'Schlagern für Schlappohren' und seinem unvermeidlichen 'Bitteschööön' doch immer wieder auch ältere Semester vor der Mattscheibe versammelte?

Wolfgang Buresch: Das war die klassische 'vom Tellerwäscher zum Millionär'- Karriere. Cäsar hatte einen kurzen Auftritt in einer Folge der WDR-Reihe 'Märchenraten mit Kasper und René'. Während dieser S/W-Produktion besuchten uns die 'Hierarchen' des Senders, der zuständige Abteilungsleiter, der Hauptabteilungsleiter und der damalige Intendant Klaus von Bismarck. Als die drei das Studio betraten, pflaumte Cäsar den Intendanten an und duzte ihn ganz selbstverständlich. Abteilungs- und Hauptabteilungsleiter erstarrten neben dem Intendan-ten, doch als dieser laut loslachte und sich mit Cäsar auf einen längeren Schlagabtausch einließ, lachten sie auch und entspannten sich. Mit der frechen Puppe, über die ihr Intendant gelacht hatte, entwickelten wir dann eine eigene Sendereihe.
 Das, was die Beteiligten nicht wussten, Klaus von Bismarck hatte nach dem Krieg den Jugendhof Vlotho geleitet und kannte aus dieser Funktion die Hohnsteiner, die dort Seminare gegeben hatten. Das wusste ich, und daher war ich einigermaßen sicher, dass er auf den Cäsar positiv reagieren würde.

Marc Hairapetian: War der Hase Cäsar der erste Versuch der Comedy im deutschen Kinderprogramm?

Wolfgang Buresch: Ja, mit seiner Sendereihe 'Dr. h.c. Cäsar'. Das Genre konnte ich dann erfolgreich weiter ausbauen mit der Figur Meikel Katzengreis; das war eine Art 'erwachsener' Cäsar.

Marc Hairapetian: Plumpaquatsch von Frantisek Tvrdek mit Ihnen als Wassermann-Pupenspieler und der bezaubernden Susanne Beck als menschlicher Ko-Moderatorin war etwas kommerzieller orientiert. Im Condor Verlag erschien sogar eine zeitlang eine Comic-Heftreihe. Warum lief die Unterhaltungssendung nur drei Jahre, also von 1972 - 1975?

Wolfgang Buresch: Inzwischen hatte ich im NDR die Abteilung Familienprogramm übernommen, dazu gehörte neben dem Kinderprogramm, das Jugend- und Frauenprogramm. Dadurch wurde meine zeitliche und kreative Kapazität in Etat-, Programm- und Teamentwicklungsaufgaben gebunden.

Marc Hairapetian: Maxifant und Minifant sind von Ihrem Äußeren etwas abstraktere Puppenfiguren. Wen oder was sollen Sie eigentlich darstellen? Halb Mensch, halb Elefant (wegen der grossen Ohren)? Oder leitet sich das "Fant" vom französischen "enfant" ("Kind") ab? Oder sind Sie sogar das deutsche Gegenstück zu dem US-amerikanischen Puppenpaar Ernie und Bert?

Wolfgang Buresch: Sie waren als abstrahierte Kinder (groß und klein) gedacht und wurden von der Zielgruppe auch so verstanden.

Marc Hairapetian: Mit Rudolf Fischer, der Maxifant spielte und sprach, arbeiteten Sie eng zusammen. Kann man von einer Freundschaft sprechen oder ging jeder nach Dienstschluss seiner Wege?

Wolfgang Buresch: Rudolf Fischer war einer meiner besten Freunde, mit dem mich nicht nur vielfältige berufliche, sondern auch intensive private Erfahrungen verbanden.

Marc Hairapetian: Bei BASF kamen auch zwei 'Maxifant- und Minifant'-Hörspiele heraus, die Konrad Halver produzierte. Der Winnetou des deutschen Hörspiels war mein bester Freund. Hatten Sie neben der 'Emm-wie-Meikel'-LP und diversen 'Tim-und-Struppi'-Hörspielen, bei denen Sie ihn im Studio als Sprecher wieder trafen, noch andere Pläne der Zusammenarbeit?

Wolfgang Buresch: Wir haben häufiger bei Plattenproduktionen zusammen gearbeitet, denn wir waren beide mit Michael Weckler befreundet, der als Produzent und Regisseur viele erstklassige Kinderschallplatten realisierte.

Marc Hairapetian: 'Emm wie Meikel' alias Meikel Mausegreis wandte sich an ein älteres Publikum und sah zunächst eher wie Mickey Mouse aus, musste aber nach einem Interview mit den damaligen Regierungssprecher Klaus Bölling und daraus resultierenden Protesten der Kölner TV-Kollegen sein Äußeres ändern und mutierte gar zu Meikel Katzengreis, also quasi Tom und Jerry in einer Person. Gab es im Laufe Ihrer Tätigkeit als Redakteur noch ein weiteres Politikum?

Wolfgang Buresch: Dieses hübsche 'Politikum' war leider keins, denn die Verwandlung von der in die Jahre gekommenen Maus zum Katzengreis hatte nichts mit der erstem Sendung zu tun, in der Klaus Bölling von Meikel interviewt wurde. Die Kölner Kollegen behaupteten, Meikel Mausegreis könnte mit Ihrer Maus aus der 'Sendung mit der Maus' verwechselt werden und bestanden auf der Einstellung der Sendereihe. (Zu dieser albernen Aktion muss man folgenden Hintergrund kennen. Als ich festangestellt beim NDR wurde, musste ich die Hase-Cäsar-Reihe 'Schlager für Schlappohren' beim WDR beenden. Das hatte die Kölner Kollegen nicht sonderlich gefreut.)
 Nun, eingestellt habe ich die Sendereihe mit Meikel natürlich nicht, sondern in der nächsten Folge wurde der Einwand der Kollegen thematisiert, und Meikel mutierte in der Sendung zum Katzengreis. Der Popularität der Figur hat diese Aktion sehr gutgetan.

Marc Hairapetian: Haben Sie auch redaktionell das Kinderprogramm 'Das kommt davon' betreut, bei dem Hellmut Lange als Erzähler auftrat und zudem Geschichten im Lumineszenz-Theater dargeboten wurden? Es gab doch dazu auch vier 'Peggy'-LPs, die der Chemiegigant BASF in seiner 'Wort'-Abteilung herausbrachte?

Wolfgang Buresch: Ja, die Sendereihe dieser Rudyard-Kipling-Geschichten hatte ich konzipiert und produziert. Frantisek 'Franta' Tvrdek hat die Puppen gebaut und mit seinem Team jede dieser Folgen gespielt.

Marc Hairapetian: 1974 erschien bei BASF auf den Labels 'PEG' bzw. 'Piccolo' auf Langspielplatte der Tonmitschnitt der Bad-Segeberger-Inszenierung von Karl Mays "Das Vermächtnis des Inka". Sie fungieren dabei am Anfang als Erzähler. Waren Sie nur im Studio dabei oder auch live im Freilufttheater am Kalkfelsen, wo Sie den Text über die historischen und politischen Ereignisse der modifizierten Adaption aus einem Buch vorlasen? An sich war doch in Bad Segeberg Hellmut Lange als Erzähler, den man während der Proben bei einem kurzen Amateurmitschnitt (inzwischen bei YouTube reingestellt) sehen kann, engagiert. Wechselten Sie sich etwa während der Spielzeit mit ihm ab? Es gibt keine verfügbare TV-Aufzeichnung mehr geschweige denn eine DVD.

Wolfgang Buresch: Live war ich in Bad Segeberg nicht als Erzähler dabei. Doch die Fernsehaufzeichnungen der Segeberger Karl-May-Stücke gehörte mehrere Jahre zu meinen jährlichen Regieaufgaben. Ich erinnere mich, dass ich einmal ein Stück textlich so verworren fand, dass ich für die Fernsehfassung Hellmut Lange als Erzähler einsetzte, der die dialogisierte Handlung zusammenfasste, und wir uns im Wesentlichen auf die 'Action'-Szenen konzentrierten. Ich weiß allerdings nicht mehr, um welches Stück es sich damals handelte.

Marc Hairapetian: Dann muss es sich dabei wohl um 'Das Vermächtnis des Inka' gehandelt haben. In den 1980er Jahren gaben Sie als weißer Foxterrier bei den ausgezeichneten ' Tim-und-Struppi '-Hörspielen von Maritim bzw. Ariola den Erzähler. War das Ihre Idee, dem Zuhörer die Abenteuer des rasenden Reporters aus der Perspektive des Hundes näher zu bringen? In den Comics von Hergé ist Struppi ja weitgehend stumm.

Wolfgang Buresch: Diese Idee könnte von mir gewesen sein. Aber ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken; ich weiß es einfach nicht mehr. Ich erinnere mich leider auch nicht daran, wer die Bücher für diese Hörspielreihe geschrieben hat.

Marc Hairapetian: Das waren unterschiedliche Autoren wie Ludger Billerbeck bei Maritim, Wolfgang Pauls, Thorsten Warnecke und nochmals Ludger Billerbeck bei Ariola.
 Auch nach Ihrer Pensionierung 2002 legten Sie sich nicht aufs Altenteil, sondern Sie arbeiten nach einer Ausbildung als Soziotherapeut auch als Coach und veröffentlichten u. a. 2003 bei Suhrkamp das Buch 'Kinderfernsehen' und hatten mit 'Der Hase Cäsar präsentiert' 2004 ein Revival im Kinderkanal. Wird man Cäsar nochmals im TV sehen? (Das wäre wunder-schööön!)

Wolfgang Buresch: Ich könnte mir eine Sendung mit einem in die Jahre gekommenen Cäsar auch gut vorstellen. Allerdings nicht für Kinder, sondern als Sendung für Erwachsene, die ihn als Kinder im Programm noch erlebt haben; mit einer Art 'weißt-Du-noch'-Geschichten.
 Für heutige Kinder funktioniert die Figur nicht mehr; Cäsar hatte keine Angst vor Autoritäten, er war direkt, frech und sagte, was er dachte! Zu seiner Fernsehzeit wären die zuschauenden Kinder gerne so gewesen wie er; deshalb haben sie ihn gemocht. Heute sind Kinder längst so.
 Eine heutige Kultfigur ist der von mir sehr geschätzte 'Bernd das Brot', ein liebenswerter Verweigerer, der mit seinem Witz und seiner verbalen Erst-Reaktion: 'Mist'! auf jede neue Anforderung offenbar vielen gestressten Kindern und Jugendlichen aus der Seele spricht!

Marc Hairapetian: Der Kinderkanal KiKA zeigt in letzter Zeit fast nur noch neuere Produktionen. Für Klassiker jenseits von Pippi Langstrumpf, Heidi oder Pinocchio ist anscheinend kein Platz mehr. Richtig oder falsch?

Wolfgang Buresch: Ich weiß nicht, ob das so ist, da ich das Programm nicht mehr regelmäßig beobachte. Die Kollegen des Kinderkanals müssen sich natürlich auch nach den Zuschauerinteressen richten, und vielleicht ist die Zeit für Klassiker jenseits von Pippi, Heidi oder Pinocchio nur noch etwas für ältere Nostalgiker...

Marc Hairapetian: Wohin geht für Sie die Zukunft des Kinderprogramms?

Wolfgang Buresch: Inzwischen ist es selbstverständlich, dass für Kinder aufwendige Programme produziert werden, so wie für die erwachsenen Zuschauer. Wenn die Fernsehverant-wortlichen in den entstehenden Programmen die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von Kindern, also ihre tatsächlichen Interessen ansprechen, dann ist mir um die Zukunft des Kinderfernsehens nicht bange.
 Sollten allerdings die Sendungen für Kinder überhand nehmen, die sich nur noch formal durch die Mitwir-kung von Kindern von den Sendungen für Erwachsene unterscheiden, dann wären wir wieder da, wo wir schon mal waren; wir würden Kinder nicht als eigenständige Menschen mit individuellen Bedürfnissen wahrneh-men.

Marc Hairapetian: Wie kann man Ihrer Ansicht nach die Spirale der Gewalt in Kinder und Jugendprogramm aufhalten?

Wolfgang Buresch: Nur mit Druck von außen. Sendeanstalten reagieren auf öffentlichen Druck. Den gilt es immer dann zu mobilisieren, sollte es an Selbstverständnis fehlen.

Marc Hairapetian: Wissen Ihre Enkel was ihr Großvater alles im TV gemacht hat und welchen Puppen er alles Leben eingehaucht hat?

Wolfgang Buresch: Ja, meine sechs Enkel wissen, was ich gemacht habe. Da gibt es keine Geheimnisse.

Marc Hairapetian: Sie haben im Laufe der Jahrzehnte sicher unzählige Zuschriften erhalten. Gab es auch welche aus Übersee? Was war der skurrilste Fan-Brief, den Sie je erhalten haben?

Wolfgang Buresch: Ja, es gab auch Zuschriften aus Übersee, allerdings nicht auf Sendungen, denn die wurden in Übersee ja nicht gesehen, doch z.B. Briefe auf einen Artikel über meine Arbeit im deutschen Kinderfernsehen, der in einer großen amerikanischen Zeitung erschien.
 Zu den skurrilsten Zusendungen gehörten immer die Mohrrüben, die der Hase Cäsar zu seinem Geburtstag bekam.

Marc Hairapetian: Sie haben die erfolgreichste Kinderserie mit dem Hasen Cäsar als Diskjockey entwickelt: 'Schlager für Schlappohren'.
 Wenn ich mir Ihre Facebook-Liste der Lieblingsfilme ansehe, entdecke ich sehr viele Gemeinsamkeiten (u.a. Stanley Kubrick - ich bin übrigens seit 1999 mit seiner Witwe Christiane und seinem Schwager, dem Ausführenden Produzenten, Jan Harlan sehr gut bekannt). Hätten Sie auch mal gerne Programme nur für Erwachsene entwickelt? Oder anders herum gefragt: Warum sind Sie ein ganzes Leben lang Kinder-und Jugendprogrammen treu geblieben?

Wolfgang Buresch: Ich habe das Glück gehabt, das ich immer für die Altersstufe Programme entwickeln konnte, von der ich am meisten verstand. Kleinkinderprogramme als meine Kinder in dem Alter waren, dann Programme für ältere Kinder und Jugendliche. Schließlich produzierte ich auch - neun Jahre lang - Vorabendserien im Fernsehspiel, also Programme für Erwachsene; z.B. 'Großstadtrevier', die Serie aus Hamburg.
 Doch Kinderprogramme haben mir immer das größte Vergnügen bereitet, möglicherweise, weil ich mein 'inneres Kind' nie verleugnet habe.



Das Interview mit Wolfgang Buresch führte Marc Hairapetian am 18. September 2014 exklusiv für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de

Die Fotos von Wolfgang Buresch machte Jens Welsch. Weitere Informationen unter: www.wolfgangburesch.de