"Die besten Geschichten habe ich durch
Nichtfragen bekommen"

Dialog mit Joachim Fuchsberger über
unbemerktes Altern, Qualitätsbestand, Anstalten
öffentlichen Unrechts und Interviews, die
zu Gesprächen werden

Von Marc Hairapetian

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Marc Hairapetian: Mario Adorf hat einmal gesagt, dass er das eigene Altern nicht merken würde. Spüren Sie es?

Joachim Fuchsberger: Na logisch. Sie sehen, ich gehe am Stock. Mir tun die Füße weh, aber der Kopf funktioniert noch, und das ist das Wichtigste. Ansonsten, wenn Sie eine provokative Antwort haben wollen: Ich spüre, dass ich mit zunehmenden Alter intoleranter werde. Das heißt, dass ich dieses ganze Toleranzgeschwafel nicht mehr unwidersprochen hinnehme. Toleranz bis zu einem gewissen Grade ja, aber das es zur Glückseligkeit gehört, nein, im Gegenteil: nein, das dulde ich nicht länger.

Hairapetian: Was zum Beispiel geht Ihnen gegen den Strich?

Fuchsberger: Die Gleichmacherei und Oberflächlichkeit in den Niederungen des Fernsehens zur besten Sendezeit. Kreativität hört normaler Weise an dem Schreibtisch auf, wo sie beurteilt wird. Alles dreht sich nur noch um Quoten. Ich bin ein Feind davon dem Zuschauer die Schuld in die Schuhe zu schieben, für das, was sich gerade tut. Was ich den Zuschauern vorwerfe, ist das er sich abgewöhnt hat, unter dem an sich durch die vielen Sender immer noch reichhaltigen, sehr guten Angebot zu selektieren. Durch Zappen findest Du natürlich nix und bist so müde, das du frustriert ins Bett gehst.

Hairapetian: Sie wollen also kein Gutmensch sein?

Fuchsberger: Ich war nie einer. Erich Kästner hat recht: „Es gibt nichts gutes, außer man tut es.“ Man wird an dem gemessen, was man tun kann. Ich bin als UNICEF-Botschafter gerne ein Gutmensch, ansonsten, was meine Einstellung zur Obrigkeit belangt, bin ich alles andere als ein Gutmensch.

Hairapetian: Dennoch haben Sie in Ihren Talkshows nie ihre Gäste denunziert, nicht mal provoziert.

Fuchsberger: Ich habe meine Aufgabe bei „Heut’ abend“ nie darin gesehen besonders journalistisch vorzugehen und investigativ zu sein, weil ich ein Unterhaltungsmann bin. Wäre ich ein Journalist, hätte ich ganz anders gefragt. Ist man Journalist, hat man sogar die Pflicht nachzufragen, zu bohren, dran zu bleiben. Als Entertainer hat man das nicht, da bin ich bemüht, ein möglichst interessantes und auch amüsantes Gespräch zu führen.

Hairapetian: Es gibt verschiedene Ansätze als Journalist. Man muss ja nicht nur eine einseitige Ausfragerei betreiben, sondern es kann auch ein Dialog entstehen.

Fuchsberger: Das war immer mein Bestreben. Man verabredet sich zu einem Interview. Wenn man Glück hat wird ein Gespräch daraus. Nun geben Sie sich mal Mühe! (lacht)

Hairapetian: In Ihrem Autobiografie „Denn erstens kommt es anders...“ haben Sie geschrieben, dass Sie ein „saumäßiger Schüler“ waren, bei dem es vor Sechsen nur so gehagelt hat.

Fuchsberger: Ich war stinkfaul. Gott sei Dank nicht blöde.

Hairapetian: Warum werden ausgerechnet die schlechtesten Schüler häufig zu den erfolgreichsten Menschen?

Fuchsberger: Darüber habe ich aufgehört, mir Gedanken zu machen, als ich feststellte, dass die Schulzeugnisse nicht unbedingt eine Vorausstufe sind für Erfolg im Leben. Man lernt nicht für die Schule, sondern für das Leben. Ich habe damals ziemlich schnell begriffen, dass mir die Schule fürs Leben überhaupt nichts mitgeben kann. Was soll ich mit ein paar englischen oder lateinischen Vokabeln im Russland-Krieg? Wir haben ja nicht die meiste Zeit in Klassenzimmern verbracht, sondern in Flakstellungen und vormilitärischen Drill. Wir waren schon als Zehn- oder Elfjährige integriert in diese ganzen Organisationen, die keinen Wert auf akademische Ausbildung gelegt haben, sondern auf Hauen und Stechen und Leute umbringen.

Hairapetian: Lernen Sie auch noch heute dazu?

Fuchsberger: Ich denke ja und da, wo ich aufhören möchte zu lernen, werde ich durch meine Frau energisch darauf aufmerksam gemacht, dass es so nicht geht und dass ich weiterhin zu lernen habe.

Hairapetian: Sind Sie modernen Technologien wie dem Internet gegenüber aufgeschlossen?

Fuchsberger: In gewissen Maßen. Ich schreibe am Computer, verschicke Emails und hole mir Informationen beim Surfen, ansonsten stehe ich dieser Sache sehr gelassen gegenüber. Schön ist es, dass wenn wir in Australien sind, ich mir über den Computer die Information jeder Tageszeitung aus Deutschland holen kann.

Hairapetian: Ist Australien für Sie eine Art Refugium?

Fuchsberger: Nein, nur ein anderer Arbeitsplatz. Da arbeite ich mehr und härter als hier. Natürlich kommt hinzu, dass wir dort in einer unglaublich schönen Natur leben. Ich habe 21 Dokumentarfilme in Australien produziert. Ich kenne das Land besser als 90 % aller Australier. Australien ist kein Land, um zu sagen: Jetzt genieße ich. Es ist kein Schlaraffenland. Es fliegen dort weder gebratene Tauben herum, noch fließt der Honig in Bächen. Man hat eine Chance in Australien auch heute noch relativ schnell großen Erfolg zu haben, aber du musst dir den Arsch aufreißen bis zum geht nicht mehr, sonst wird das nichts.

Hairapetian: Keine Angst vor dem Ozonloch?

Fuchsberger: Das ist Quatsch. Der Filmemacher Rainer Erler hat versucht, das mit dem Max-Planck-Institut nachzuweisen. Das über der Antarktis liegende Ozonloch ist noch weit von Australien entfernt. Das unkontrollierte Aussetzen der Sonne ist in München oder Hamburg genauso gefährlich wie drüben. Wer heute wie auf dem Grill in der Sonne liegt, hat einen Riss im Hirn. Braun ist gar nicht mehr so in. Vornehme Blässe ist besser.

Hairapetian: Sagt der Herr der vor mir sitzt und selber sehr braungebrannt ist.

Fuchsberger: Das ist eine gesunde Leberfarbe. So sehe ich auch aus, wenn ich vier Wochen im Krankenhaus liege, da bin ich immer noch relativ dunkelhäutig.

Hairapetian: Warum haben Sie 1973 nach dem großen Erfolg des Films „Das fliegende Klassenzimmer“ für über drei Jahrzehnte Ihren Abschied von der Kinoleinwand genommen?

Fuchsberger: Das war eine Visitenkarte, die konnte man ohne rot zu werden, liegen lassen und sagen: Damit verabschiede ich mich. Alles, was damals kam an Angeboten war eigentlich indiskutabel, bis auf Buba Seitz mit dem wunderbaren Film „Das fliegende Klassenzimmer“. Nach den Dreharbeiten dachte ich mir: So, das ist jetzt mein Maßstab, und wenn nichts kommt, was dem adäquat ist, sondern nur drunter, dann mache ich es nicht. Glücklicher Weise kam gleichzeitig das Angebot mit der großen Show „Der heiße Draht“ und später „Spiel mit mir“ sowie „Auf Los geht’s los“ ins Fernsehen einzusteigen; und das war natürlich atemberaubend, völlig anders zu arbeiten in einem völlig anderen Bereich mit völlig anderen Grundvoraussetzungen. Was mich motiviert hat, so viele unterschiedliche Dinge zu tun, war immer ein bisschen der Zweifel, ob ich das auch schaffe.

Hairapetian: Was macht für Sie „Das fliegende Klassenzimmer“ so zeitlos?

Fuchsberger: Es ist ganz offensichtlich aus der Feder von Erich Kästner schon eine zeitlose Geschichte geworden. Das ist wie ein Märchen, es ist eine Wunschvorstellung. Es ist auch dem Regisseur Werner Jacobs gelungen etwas in die Welt zu setzen, was von Bestand ist, was seine Qualität behält. Es interessiert junge Leute heute noch so wie damals, und es stellt sich heraus, dass viele Dinge aus der damaligen Zeit die Jugend von heute mehr ansprechen, als was jetzt gemacht wird. Heute werden erdrückende Probleme wie Drogen, Verzweiflung, Alkohol und Gewalt thematisiert. Damals war es romantischer: Es waren gute Lehrer und der beste war ich, Justus, der ein Ohr für die Nöte der Kinder hat, dem sie vertrauen können. Eine Traumrolle! Wenn von diesen alten Filmen, bei denen ich dabei war, wieder einer im Fernsehen läuft, kann ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass am nächsten Tag ganz junge Leute zu mir sagen: „Ach, Mensch, das war schön, warum machst du denn so was nicht mehr?“ Die vergessen völlig die Zeit, dass es vierzig Jahre her ist. Der Vergleich mit dem, was sie heute geboten bekommen, fällt häufig zu unseren Gunsten aus. Und das hebt einen natürlich.

Hairapetian: Das Element der Freundschaft zwischen dem Lehrer Justus und dem aus der Lebensbahn geworfenen Arzt Dr. Uthoff, der Nichtraucher genannt wird, haben Sie und Heinz Reincke besser herausgearbeitet als 30 Jahre später Ulrich Nöthen und Sebastian Koch. Wie wichtig ist Ihnen Freundschaft?

Fuchsberger: Den neuen Film sehe ich mir nicht mehr an, weil ich so wunderschöne Erinnerungen an meine Dreharbeiten in Bamberg habe. Warum sollte ich jetzt den Advocatus Diaboli spielen? Freundschaft ist sicher etwas ganz außergewöhnliches und sicher höher zu bewerten als in vielen Fällen eine Ehe. Eine Ehe ist vertraglich fixiert. Sie ist, wenn man sie auflöst mit ungeheuren Konsequenzen verbunden. Eine Freundschaft kann man von heute auf morgen lösen - ohne dass es juristische Konsequenzen hat. Eine Freundschaft ist etwas völlig freiwilliges. Es bedarf eines ungeheuren Respekts, um eine Freundschaft aufrecht zu halten. Mit dem Komponisten Rolf Wilhelm, der zu vielen meiner Filme die Musik geschrieben hat und als Trauzeuge meiner ersten Heirat sowie Taufpate meines Sohns zu meinen ältesten noch lebenden Freunden gehört, ist das so eine Geschichte. Auch wir hatten Punkte, wo wir nicht einer Meinung waren, da wir Antipoden sind. Das Musterbeispiel das Gegensätze sich anziehen! Er war der Schöngeist, der akademisch Gebildete, ich war so mehr der tough guy. Aber mir hat seine Art ungeheuer viel gegeben, und er hat von mir sehr viel gelernt. Er ist durch mich härter geworden. Und ich bin durch ihn vielleicht ein bisschen klüger und gebildeter geworden.

Hairapetian: Ein weiterer Triumph war der 1969/70 entstandene TV-Dreiteiler „11 Uhr 20“, bei dem sie als Ingenieur Thomas Wassem an Originalschauplätzen in der Türkei und Tunesien den mysteriösen Tod Ihrer von Gila von Weiterhausen verkörperten Frau aufklären wollen. Welche Erinnerung haben Sie daran?

Fuchsberger: „11 Uhr 20“ war eine wunderbare Arbeit mit einem erstklassigen Buch von Herbert Reinecker und ausgezeichneten Schauspielerpartnern. Es war auch eine der ersten großen Rollen von Götz George. Ich weiß noch, wie er mir neugierig am Set über die Schulter schaute, als ich in der Szene, wenn meine tote Frau im Leichenwagen davon gefahren wird und mit ihr mein Glück entschwindet, in Tränen ausbreche. Ihn interessierte: Wie spielt man einen totalen Zusammenbruch? Ich glaube als Schauspieler an Autosuggestion und weiß noch, dass ich mir vorstellte, es wäre meine wirkliche Frau. Manchem Kritiker war das damals zu viel, doch ich spürte, ich musste es so machen – und nicht nur Götz George, sondern auch das Fernsehpublikum erreichte es.

Hairapetian: Die Einschaltquoten lagen damals bei sagenhaften 84%, doch heute will das ZDF den Film nicht mehr ausstrahlen, weil sich angeblich die „Sehgewohnheiten“ der Zuschauer geändert hätten. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Fuchsberger: Gehen Sie von der Tatsache aus, dass im ZDF heute genauso viele Idioten sitzen wie in allen anderen Anstalten des öffentlichen Unrechts. Da sitzen viele Leute, die haben von dem was sie tun und wofür sie bezahlt werden, keine Ahnung. Sie sind aus ganz anderen Gründen dahin gekommen. Das hat mit einer Qualifikation für diesen Beruf nicht das Geringste zu tun, sondern mehr mit der Parteizugehörigkeit. Der letzte Fachmann, der mir persönlich viel bedeutet hat, war Dieter Stolte.

Hairapetian: Können Sie das konkretisieren?

Fuchsberger: Heute gibt es Entscheidungsträger, was aus meinem Mund schon einer Beleidigung gleichkommt. Die kennen doch gar nicht die Sehgewohnheiten des Zuschauers! Ich glaube, man hat damals schneller den Mut gehabt zu sagen: Das ist ein gutes Buch! Heute verderben zu viele Köche den Brei, wobei die Entscheidungsträger mit dem Rasierapparat oder dem Rasenmäher über das Niveau eines Buches hinweggehen. Zum Schluss sieht eine Geschichte aus, wie ein Billardtisch: glatt. Oder wie eine Landschaft ohne Höhen und Tiefen. Da sind wir bei Peter Ustinov, der gesagt hat: „Wir alten Männer sind gefährlich. Wir können sagen, was wir wollen, da wir die Zukunft nicht fürchten. Wer will uns denn bestrafen?“

Hairapetian: Eine zeitlang sind Sie für die Öffentlichkeit fast unbemerkt gealtert. Jetzt, wo Sie 80 sind, erinnern sich wieder alle an Sie: Die ARD brachte anlässlich des runden Geburtstags die dokuspielartige Show „Ein Leben wie im Flug“, mit „Neues vom Wixxer“ feierten Sie Ihr Kinocomeback und nun sind sie auch als Autobiograph in aller Munde.

Fuchsberger: Das mit dem unbemerkt Altern stimmt nur bedingt, denn ich habe ja zusammen mit Ralf Bauer ab 2002 über 170 Mal in der Münchener Komödie im Bayrischen Hof zusammen den „Priestermacher“ gespielt. Ein Stück, bei dem ich physisch und psychisch an meine Grenzen gehe, gerade weil ich – und es mag paradox klingen – als Atheist, dem Publikum vermitteln möchte, das es wichtig ist, an etwas zu glauben, um sich die Kraft zu holen, für das, was das Leben alles mit einem vorhat. Der Zweifel am Glauben wurde ja schon bei „In den Schuhen des Fischers“ thematisiert. „In den Schuhen des Fischers“ gehört sowohl zu meinen Lieblingsbüchern als auch zu meinen Lieblingsfilmen. Sehr gut gespielt von Anthony Quinn als Kiril Lakota, der vom Straflager in Sibirien zum Vatikan berufen wird, und Oskar Werner als progressiver Pater David Telemond, den eine theologischen Kommission mit Schreibverbot belegt. Eine wirklich visionäre Geschichte, die den ersten Papst aus einem Ostblockstaat schon zehn Jahre vor Woytila vorwegnahm. Wie jeder Mensch weiß, findet so ein Theaterstück wie „Der Priestermacher“ zwar auch große Anerkennung, allerdings weniger in den Medien, die nur über Premieren berichten, als bei den Zuschauern. Das war sicher eine Zäsur in der permanenten Berichterstattung in der Öffentlichkeit. Dafür hat dann seit meinem 80. Geburtstag bis jetzt so etwas wie ein regelrechter Hype eingesetzt. Und manchmal ist es ein bisschen viel.

Hairapetian: Zuviel?

Fuchsberger: Ja, manchmal lassen auch die Kräfte nach. Ich sag dann immer: Ich bin ja nicht mehr 60.

Hairapetian: Und dennoch stehen Sie bald wieder vor der Kamera?

Fuchsberger: Katharina Trebitsch hat mir eine fantastische Rolle angeboten. Es ist die Geschichte eines alten Mannes, der seinen 80. Geburtstag vorbereitet, und feststellt, das zum Zelebrieren eigentlich niemand mehr da ist. Arbeitstitel ist „Die Wahrheit und andere Lügen“. Ich freue mich sehr auf diese schwierige Aufgabe.

Hairapetian: Unabhängig vom Alter, was Sie körperlich aber nicht geistig spüren. Wenn die Möglichkeit gegeben wäre, würden Sie noch einmal eine große Unterhaltungsshow machen?

Fuchsberger: Nein, ich schaffe das auch physisch nicht mehr. An sich ist überhaupt dieser große Samstagabend, diese Variety Show, mit Ausnahme von Thomas Gottschalk oder Frank Elstner, tempi passati, nicht mehr up to date. Die Leute sind heute nahezu unmöglich für eine Sache zweieinhalb Stunden am Bildschirm zu halten. In der Zwischenzeit gehen die drei Mal pinkeln, kommen zurück und zappen rüber. Ich würde gerne noch mal Nachrichten lesen. Wie ich gehört habe, denkt der Bayrische Rundfunk über diesen Wunsch nach. Was ich unter Umständen auch noch mal machen möchte, wäre eine TV-Talkshow, die sich von denen die heute gemacht werden dadurch unterscheidet, dass sie sich wieder Zeit nimmt für einen Menschen. Aber bitte nicht fünf Gäste, die nach jeweils 15 Minuten abserviert werden. Das funktioniert nicht.

Hairapetian: Warum nicht?

Fuchsberger: Weil es dann zu Dingen kommt wie bei Johannes B. Kerner, der eine unglaubliche Fähigkeit hat seine Fragen sehr präzise und schnell anzubringen, aber die dazu nicht fähigen Gesprächspartner zwingt, genauso schnell zu antworten. Du musst deinem Gesprächspartner erstmal fünf oder zehn Minuten Zeit lassen, seine Angst zu überwinden. Ich wollt bei „Heut’ abend“ zuerst auch immer den Gästen helfen, doch meine Frau raunzte mich an: „Red’ nicht soviel dazwischen und lass deinen Gästen Zeit zum Überlegen“. Und sie hat recht gehabt. Voraussetzung für eine neue Talkshow wäre, dass ich mir aussuchen kann, wen ich will und mir redaktionell kein Mensch reinredet.

Hairapetian: Ist es also ratsam, die intensivsten Fragen nicht gleich am Anfang zu stellen?

Fuchsberger: Ich kann das sogar noch ein bisschen pointieren. Die besten Geschichten habe ich durch Nichtfragen bekommen. Harry Belafonte war mein erster großer Weltstar bei „Heut’ abend“. Ich war darauf geeicht, ihm eine bestimmte Frage nicht zu stellen und unterließ es auch tunlichst. Plötzlich fängt er mitten in der Sendung an, diese Geschichte zu erzählen! Und als wir dann Backstage waren, drehte er sich um und sagte zu mir: „What the hell made me tell you that story?“ Ich antwortete: „I didn’t ask you.“ Daraufhin er: „Ich weiß, ich wollte sie plötzlich loswerden“. Natürlich hat man für den Fall, das einer sich nicht öffnet, ein Gerüst, doch am besten ist es, wenn man wie Sie jetzt bei mir, den Zettel längst beiseite gelegt hat, und sich aus dem Frage-Antwort-Spiel ein Gespräch entwickelt.

Das Gespräch führte Marc Hairapetian am 19. Juni. 2007 im Berliner Hotel Adlon. Joachim „Blacky“ Fuchsberger, geboren am 11. März 1927 in Stuttgart, begann nach einer Tätigkeit als Hörfunksprecher 1954 seine Filmkarriere in dem Dreiteiler „08/15“ als Hauptdarsteller des schlauen Gefreiten Asch, der es bis zum Leutnant der Wehrmacht bringt. Nach Liebhaberrollen und Auftritten als Inspektor in mehreren Edgar-Wallace-Filmen in den 1960er Jahren moderierte der charmant-gutaussehende „Pfeifenraucher des Jahres“ mehrere Fernsehshows („Der heiße Draht“, 1973 – 1975; „Auf Los geht’s los“, 1977 - 1986) und die TV-Talkshow „Heut’ abend“ (1980 – 1991). Das Multitalent betätigte sich auch als Textdichter. So schrieb für seine erste Frau Gitta Lind den Hit „Blumen für die Dame“ und für Udo Jürgens „Was ich Dir sagen will“. 1972 war er während der Eröffnungs- und Abschlusszeremonie Stadionsprecher der Olympischen Spiele in München. Seit 1983 hat er mit seiner Frau Gundula (der Ehe entstammt der Sohn Thomas) seinen Zweitwohnsitz Australien. Von dort produzierte er die Reportagereihe „Terra Australis“. 1984 wurde er erster deutscher Botschafter für UNICEF. Nach jahrelanger Theaterarbeit („Der Priestermacher“) feierte Blacky – den Spitznamen erhielt er aus seiner Rundfunkzeit beim Bayrischen Rundfunk, als ihn der Programmdirektor ermahnte, vor seinen Sendungen keine „Blackies“ (Black- & White-Whiskey) zu trinken - in diesem Jahr 80jährig sein Kinocomeback mit „Neues vom Wixxer“. Soeben ist seine Autobiografie „Denn erstens kommt es anders...“ (Lübbe Verlag) verschienen. Eine Fortsetzung ist geplant. Genauso wie ein neue Film: „Wahrheit und andere Lügen“. Foto: Moritz Thau